Depressionen, Aggressivität, Angstzustände – es hat schwerwiegende Folgen, wenn Zink im Gehirn fehlt. Obwohl das seit 50 Jahren bekannt ist, konnten Wissenschaftler erst jetzt aufklären, was Zink genau im Gehirn bewirkt. Demnach tragen Zink-Ionen entscheidend dazu bei, Nervensignale an den Synapsen zu regulieren. Sie sorgen so dafür, dass der Körper Reflexe oder Befehle des Gehirns richtig verarbeitet.
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Um Signale weiterzuleiten, schütten Nervenzellen Botenstoffe (Neurotransmitter) aus, die an Rezeptoren nachgeschalteter Empfängerzellen andocken. Zahlreiche Substanzen regulieren die Aktivität dieser Rezeptoren und dämpfen oder verstärken damit Nervensignale – wie ein Dimmer. Forscher des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt untersuchten jetzt speziell den Glyzin-Rezeptor, der im Rückenmark und der Netzhaut vorkommt und einen Kanal für Chlorid-Ionen steuert. Um ein Signal zu dämpfen, setzt das Senderneuron den Botenstoff Glyzin an der Synapse frei. Das Glyzin bindet am Glyzin-Rezeptor der Empfängerzelle. Daraufhin öffnet sich der Chlorid-Ionenkanal und erhöht dadurch die Konzentration von Chlorid-Ionen im Empfängerneuron. Dies hemmt dann die Aktivität des Empfängerneurons. So sorgen Glyzin und der Glyzinrezeptor dafür, dass der Körper auf Reflexe oder Befehle des Gehirns nicht überreagiert.
Mutation erzeugt Krämpfe und Schreckhaftigkeit
Schon vor ein paar Jahren hatten die Wissenschaftler entdeckt, dass Zink mit dem Glyzinrezeptor wechselwirkt. Mit Hilfe von Strukturmodellen und Mutationsanalysen konnten die Hirnforscher nun auch die zinkbindende Stelle auf dem Rezeptor lokalisieren. Anschließend erzeugten sie gezielt Punktmutationen in einem Gen des Glyzin-Rezeptors bei Mäusen, so dass die Rezeptoren kein Zink mehr binden. So konnten sie an der lebenden Maus beobachteten, was passiert, wenn Zink nicht in das Geschehen an den hemmenden Synapsen eingreift.
Die Auswirkungen waren beträchtlich. Neben eingeschränkten Reflexen neigten die Mäuse zu Krämpfen und waren erheblich schreckhafter. Diese Symptome treten auch bei der seltenen genetischen Krankheit Hyperekplexie auf, die aufgrund von Mutationen in Glyzinrezeptor-Genen auftritt. Ähnliche Effekte ruft auch das starke Gift Strychnin aus der Brechnuss hervor, welches die Glyzinrezeptoren blockiert. Daraus schlossen die Forscher, dass Zink für die physiologische Funktion von Glyzinrezeptoren essentiell ist. Kann es nicht an Glyzinrezeptoren binden, strömen weniger Chlorid-Ionen durch den Kanal und die hemmende Wirkung des Glyzins wird geschwächt.
“Herumstreuner“ oder wichtiger Akteur?
Die Diskussion um Zink im Gehirn dauert schon lange an. Die neuen, jetzt in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlichten Ergebnisse stehen im Kontrast zu denen anderer Arbeitsgruppen, die vor kurzem das vielfältige Metall zumindest im Gehirn als arbeitsscheuen "Herumstreuner" entlarvt haben wollten. "Die früheren Untersuchungen krankten aber auch an einer breiten Palette schlecht abschätzbarer Nebenwirkungen", sagt Bodo Laube, einer der beteiligten Wissenschaftler, "Wir achteten besonders darauf, die Fehlerquellen vorhergehender Untersuchungen zu vermeiden, und stellten in umfangreichen Tests sicher, dass die Symptome der Mäuse nur auf das fehlende Zink zurückgingen."
Während Neurologen relativ genau wissen, wie Psychopharmaka an unterschiedlichen Rezeptoren wirken, ist noch weit weniger gehend unbekannt, wie und welche körpereigenen Stoffe die Rezeptoraktivität im Gehirnen wie regulieren. Umso bedeutender sind also die neuen Erkenntnisse über die entscheidende Rolle des Zinks in diesem Prozess.
(MPG, 29.11.2006 – NPO)