Umwelt

Zwei Drittel der Arten und Lebensräume gefährdet

Naturschutzministerium veröffentlicht ersten Bericht zur Lage der Natur in Deutschland

Der Seeadler gehört zu den Gewinnern – ihm geht es wieder etwas besser © Eprdox/CC-by-sa 3.0

Bestandaufnahme in Deutschlands Natur: Erstmals haben Forscher die Lage von Arten und Lebensräumen in Deutschland umfassend erfasst und bewertet. Das Ergebnis des Berichts: Zwar gibt es erinige positive Entwicklungen, in vielen Bereichen aber geht es der Natur bei uns besorgsniserregend schlecht, wie selbst die Bundesnaturschutz-Minisnterin einräumen musste. Zwei Drittel der Arten und Lebensräume sind gefährdet.

Zum ersten Mal haben Forscher eine umfassende, bundeseinheitliche Inventarisierung von Arten und Lebensräumen mit europaweiter Bedeutung vorgenommen. In rund 12.000 Stichproben haben Naturschützer und Behörden bundesweit den Zustand von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen erforscht, die über die europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinien geschützt sind. Aus den Daten lassen sich wichtige Rückschüsse auf die Lage der Natur in Deutschland insgesamt ziehen.

Die Bilanz des Berichts fällt ziemlich durchwachsen aus: „Der Natur geht es in manchen Teilen besser. Wir haben zum Beispiel wieder mehr Wildkatzen oder Seeadler. Hier zeigt sich, dass im Naturschutz Erfolge möglich sind“, konstatiert Bundesnaturschutzministerin Barbara Hendricks. Den Daten nach sind 25 Prozent der untersuchten Arten in einem günstigen Erhaltungszustand, darunter der Biber, die Kegelrobbe oder der Steinbock.

Problemfeld Landwirtschaft

„In anderen Bereichen geht es der Natur dagegen besorgniserregend schlecht“, so die Ministerin. „So leiden viele Arten wie Schmetterlinge oder Bienen darunter, dass blütenreiche Wiesen in Maisäcker umgewandelt werden.“ In einem schlechten Zustand befinden sich insgesamt 31 Prozent der untersuchten Lebensräume, besonders Wiesen und Weiden, und 29 Prozent der Arten, darunter vor allem Schmetterlinge, Amphibien und Wanderfische.

Mais – in vielen Regionen sorgt diese Energie- und Futterpflanze für Monokulturen. © Christian Fischer / CC-by-sa 3.0

„Der Natur in den Alpen und den Felsküsten geht es überwiegend gut. Aber die landwirtschaftlich genutzten Lebensräume sind aus Naturschutzsicht überwiegend in einem schlechten Zustand“, räumt auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN) ein. Es gehen zu viele Grünlandflächen verloren und damit wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von gefährdeten Arten. „Wir spüren auch die Folgen des Verlustes der Flussauen. Denn Flussauen schützen nicht nur die Menschen vor Hochwasser, sie sind auch für viele Tiere und Pflanzen überlebenswichtig.“

„Vermaisung“ beenden

Ambitioniertes Handeln sei auch im Bereich Landwirtschaft nötig, so Hendricks. Die Landwirtschaft ist für 54 Prozent der Landfläche in Deutschland verantwortlich. Damit habe sie auch eine besondere Verantwortung für die biologische Vielfalt. So müssten im Rahmen der Agrarreform die Weiden und Wiesen besser geschützt werden vor einer Umwandlung in Äcker. Dafür müsse auch der Trend zum Anbau von immer mehr Energiepflanzen gestoppt werden.

„Bereits heute wachsen auf mehr als 17 Prozent der deutschen Ackerfläche Energiepflanzen – das reicht“, so die Ministerin. Neue Biogasanlagen müssten daher mit Abfall- und Reststoffen gefüllt werden und nicht mehr mit Mais. „Wir müssen die weitere Vermaisung der Landschaft beenden“, sagte Hendricks. Auch ein weiterer Ausbau der Biokraftstoffe der ersten Generation sei für den Naturschutz gefährlich.

Zu viel Dünger und Pestizide

Ähnlich sieht dies auch der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger: „Überall dort, wo die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft das Artensterben verursacht, wird der Schutz seltener Tiere und ihrer Lebensräume immer schwieriger.“ In den Agrarregionen sei der Anteil artenreicher Biotope an der Fläche auf nahezu ein Zehntel geschrumpft, sogar in Schutzgebieten werde streng geschütztes Grünland vermehrt umgepflügt.

Zu den Ursachen des Artensterbens gehört aber auch die Überdüngung von Böden und Gewässern. Nährstoffeinträge aus der Massentierhaltung gefährden sensible Biotope wie beispielsweise Moore und belasteten Nord- und Ostsee erheblich. Vor allem Wildbienen und Amphibien sind Opfer des exzessiven Pestizideinsatzes und der Zerstörung von Lebensräumen.

Mehr Einsatz von Ländern und Bund nötig

Grundsätzlich ist der Naturschutz in Deutschland Ländersache. Aber auch der Bund könne einiges tun, sagte Hendricks. Als Beispiel nannte sie ein neues Programm zum „Präventiven Hochwasserschutz“, an dem das Bundesumweltministerium derzeit mit den Ländern arbeite. Wenn man den Flüssen mehr Raum gebe, sei das gut für Hochwasserschutz und Naturschutz gleichermaßen.

Weiger warf den Ländern Versagen beim Schutz der Artenvielfalt vor: „Die Länder, aber auch der Bund müssen mehr tun, um den Artenverlust zu stoppen. Der Pestizideinsatz muss verringert und die Düngeverordnung nachgebessert werden. Und statt zu kürzen muss der Ökolandbau stärker gefördert werden.“ Erforderlich sei auch, EU-Gelder aus den dafür vorgesehenen Programmen für die naturschonende Agrar- und Regionalförderung zu verwenden. Die Bundesländer müssten zusätzliche personelle Kapazitäten schaffen, den Vertragsnaturschutz finanziell besser ausstatten und die Einhaltung der Naturschutzgesetze strenger kontrollieren.

„Für Deutschland gilt wie für alle EU-Staaten das Ziel, bis 2020 mindestens die Hälfte der Arten und sämtliche geschützten Lebensräume in einen besseren Zustand zu bringen als heute“, so der BUND-Vorsitzende. Erreichen lasse sich das aber nur, wenn die Schutzmaßnahmen vor Ort konsequent in hoher Qualität durchgeführt werden und die Finanzmittel dafür ausreichen. Ohne schnelles Handeln drohe die Vielfalt der Natur und damit die Lebensqualität der Menschen verloren zu gehen.

Die Berichte und einige Steckbriefe finden sich hier zum Anschauen und Herunterladen.

Ein BUND- und NABU-Hintergrundpapier Biodiversitäts-Check der Bundesländer zusammen mit entsprechenden Länderdossiers finden Sie ebenfalls im Internet.

(BMUB / BUND/ NABU, 27.03.2014 – NPO)

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