Wie der Wolf im Schafspelz: Der Zwergbarsch kann die Färbung verschiedener harmloser Arten in seiner Umgebung imitieren. Dadurch kann er sich deren Jungen unerkannt nähern und sie fressen, wie Forscher herausgefunden haben. Der Farbwechsel hilft den Fischen außerdem, sich vor eigenen Fressfeinden zu schützen. Die Arbeit wird in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Current Biology» vorgestellt.
Lug und Trug sind im Tierreich alltäglich: Viele Tierarten ahmen andere Spezies nach oder tarnen sich , um den Zugang zur Nahrung oder Partnern zu erleichtern oder um sich vor Feinden zu verbergen. So imitieren Steinfische ihre Umgebung, um sich neugierigen Blicken zu entziehen, marine Nacktschnecken kündigen ihre Widerwärtigkeit durch grelle Warnsignale an und Tintenfische wechseln blitzschnell ihre Farben.
Fisch ahmt verschiedene Arten nach
Die Fähigkeit, ihre Farbe zu wechseln, nutzen dabei nicht wenige Fische – sie werden beispielsweise besonders bunt, wenn sie um Partner werben oder Rivalen sichten. Doch der im Great Barrier Reef vor Australien heimische Braune Zwergbarsch (Pseudochromis fuscus) nutzt eine besonders ausgefeilte Taktik, wie Fabio Cortesi der Universität Basel und seine Kollegen nun entdeckt haben: Die rund acht Zentimeter langen Fische imitieren abwechselnd verschiedene harmlose Fischarten in ihrer Umgebung.
Lange glaubte man, dass die Färbung dieser Zwergbarsche genetisch bestimmt ist und dass beispielsweise dunklere Varianten eher in tieferem Wasser vorkommen. Doch Beobachtungen zeigten, dass diese Fische ihre Farbe aktiv verändern können. Warum und wie haben Cortesi und seine Kollegen nun in ihren Experimenten untersucht.
Flexibler Farbwechsel
Für die Experimente setzten die Forscher jeweils einen gelben oder braunen Zwergbarsch mit Forellenfischen in ein künstliches Riff. Diese potenziellen Beutefische hatten dabei stets die jeweils entgegengesetzte Farbe: War der Zwergbarsch gelb, waren sie braun und umgekehrt.
Und tatsächlich: Die Zwergbarsche wechselten die Farbe von braun nach gelb oder andersherum. Innerhalb von etwa zwei Wochen passten sich die Tiere in ihrer Färbung der anderen Art an. Nähere Untersuchungen zeigten auch, wie den Zwergbarschen dies gelingt: In den Hautzellen der Fische verändert sich der Anteil von gelbem zu schwarzem Pigment.
Und noch etwas zeigte sich: Die Chance der Zwergbarsche, die Jungen der Forellenfische zu erbeuten, stieg durch den Farbwechsel um das Dreifache, wie die Forscher berichten.
«Diese Strategie ist dem klassischen Beispiel des Wolfs im Schafspelz sehr ähnlich“, kommentiert Cortesi das Verhalten. „Die Zwergbarsche nutzen aber zusätzlich den Vorteil aus, ihr Aussehen kurzerhand wechseln zu können, wenn die Beutefische Verdacht schöpfen und achtsam werden.“
Farbwechselt funktioniert auch als Tarnung gut
Der Farbwechsel bringt den Zwergbarschen jedoch auch noch weitere Vorteile ein – sie sind damit oft besser getarnt. Denn meist haben sich die Beutefische der Umgebung angepasst, um so vor Raubfischen sicherer zu sein, die auch auf die Zwergbarsche Jagd machen. Der kleine Fisch schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe.
«Die Zwergbarsche haben also eine ausgeklügelte Form der Tarnung entwickelt, die ihnen nicht nur einen räuberischen Vorteil verschafft, sondern sie gleichzeitig auch noch vor ihren eigenen Fressfeinden schützt», fasst Cortesi die Resultate der Studie zusammen. Das sei das erste Beispiel für diese besonders raffinierte Mimikry. „Das macht den Zwergbarsch zu einem ziemlich cleveren kleinen Fisch“, so der Forscher. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.02.013)
(Universität Basel/University of Cambridge, 20.03.2015 – MAH)