Pumpspeicher der neuen Art: Alte Bergwerke könnten dabei helfen, Stromüberschüsse auszugleichen und Energie zu speichern – mithilfe von Sand und der Schwerkraft, wie Forscher vorschlagen. Wird Sand über ein Aufzugsystem im Minenschacht hinuntergelassen, erzeugt ein angeschlossener Generator Strom, der ins Stromnetz eingespeist werden kann. Herrscht dagegen Stromüberschuss, kann dieser genutzt werden, um den im Bergwerk deponierten Sand wieder an die Oberfläche zu bringen. Weltweit hätten solche Bergwerksspeicher eine Kapazität von bis zu 70 Terawattstunden.
Bei der Stromgewinnung aus Sonne und Wind gibt es große tägliche und saisonale Schwankungen. Während kurzfristige Fluktuationen von Angebot und Nachfrage im Stromnetz durch spezielle Batterien oder chemische Speicher wie Wasserstoff ausgeglichen werden können, werden für größere, längerfristige Schwankungen bisher meist Pumpspeicher in Form von Stauseen eingesetzt. Sie benötigen allerdings viel Platz und sind nicht überall realisierbar.
Deshalb suchen Wissenschaftler schon länger nach Möglichkeiten, solche die latente Energie der Schwerkraft nutzende Pumpspeicher auch unter der Oberfläche zu installieren – beispielsweise in Form von Unterwasserspeichern am Grund von Seen oder durch Druckluftreservoire im Meeresgrund. Auch ein unterirdisches Pumpspeicherkraftwerk in einer ehemaligen Zeche im Ruhrgebiet wurde erwogen, aber wegen zu hoher Kosten nicht umgesetzt.
Sand statt Wasser
Eine andere Alternative schlagen nun Julian Hunt vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Österreich und seine Kollegen vor. Ihre Idee: Sand statt Wasser als Speichermedium für unterirdische Pumpspeicher zu nutzen – und Bergwerke statt Stauseen als Speicherort. „Bergwerke haben bereits die nötige Infrastruktur und sind mit dem Stromnetz verbunden, was die Kosten senkt und den Umbau zu solchen Pumpspeichern erleichtert“, erklärt Hunt.
Die „Underground Gravity Energy Storage“ (UGES) getaufte Methode nutzt den Höhenunterschied im Minenschacht zur Energiespeicherung und -wiedergewinnung. „Bei diesen Schwerkraftspeichern wird das Bergwerk unten mit Sand gefüllt, um bei hoher Nachfrage Strom zu erzeugen“, erklären die Forscher. „Je tiefer und breiter der Minenschacht ist, desto mehr Energie kann dabei gewonnen werden. Ist dann Strom günstig und genug vorhanden, wird der Sand wieder aus dem Bergwerk an die Oberfläche befördert.“
Aufzugsystem als Energiewandler
Doch wie funktioniert das konkret? Während bei Wasser-Pumpspeichern Turbinen für die Umwandlung der Lageenergie in Strom sorgen, übernimmt dies bei den Bergwerks-Speichern ein spezielles Aufzugsystem. Dessen Frachtcontainer sind mit einem Rollensystem mit Generator ausgestattet, das beim passiven Absenken der Sandfuhren aus der Bewegung und dem regenerativen Bremsen Strom erzeugt. „Solche Permanentmagnet-Motorgetriebe haben eine Effizienz von mehr als 92 Prozent“, erklären die Forscher.
An der Oberfläche und im Stollen transportieren automatische Bagger und Förderbänder den Sand in die Container. Weil diese elektrisch angetrieben sind, können auch sie einen Teil ihrer Energie beispielsweise beim Bergabfahren oder Bremsen wiedergewinnen, wie das Team erklärt. Insgesamt beziffern sie die Effizienz ihrer Bergwerkspeicher auf 70 bis 80 Prozent.
Kapazität wie ein kleines Wasser-Pumpspeicherkraftwerk
Wie viel Energie solche UFGES-Anlagen speichern könnten, haben Hunt und sein Team am Beispiel von UGES-Anlagen mit unterschiedlichen Schachthöhen, Sandmengen und Dauern der Speicherzyklen durchgerechnet. „Ein Projekt mit einem 200 Meter tiefen Schacht, Frachtcontainergrößen von einem mal einem Meter und einer Transportgeschwindigkeit von 0,25 Meter pro Sekunde könnte 0,35 Megawatt Strom erzeugen“, berichten die Forscher.
Mit einem tieferen Schacht und größeren Containern steigt die Leistung: Bei einer Tiefe von 1.000 Metern und Frachtgrößen von vier mal vier Metern erhöht sich die erzeugte Strommenge bereits auf 113 Megawatt. „Das entspricht in etwa der Kapazität eines kleinen Wasser-Pumpspeicherkraftwerks“, so Hunt und sein Team. In kalten Regionen könnte ein solcher Bergwerksspeicher zudem mit geothermischer Energiegewinnung kombiniert werden. Über Phasenwechsel-Materialien als Fracht ließe sich dann die Energiekapazität zusätzlich erhöhen.
Lohnend primär in wasserarmen Regionen
Und die Kosten? „Die Kosten für die Energiespeicherung in UGES-Anlagen variiert unseren Schätzungen nach zwischen einem US-Dollar pro Kilowattstunde bei 1.500 Meter Schachthöhe und zehn US-Dollar pro Kilowattstunde bei 200 Meter Höhenunterschied“, schreiben die Wissenschaftler. Bezogen auf die installierte Kapazität liegen die Kosten allerdings bei rund 2.000 bis 4.000 US-Dollar pro Kilowatt. Das ist das Zwei- bis Vierfache eines Wasser-Pumpspeicherkraftwerks.
„Angesichts der geringeren Investitions- und Betriebskosten sollte Letzteres daher Priorität erhalten“, räumen die Forscher ein. „Aber wenn ein Wasser-Pumpspeicher aus Platz- und Wassermangel oder ungeeigneter Grundwasserabsicherung nicht möglich ist, dann bietet UGES eine Alternative.“ Denn anders als bei unterirdischen Wasser-Pumpspeicherkraftwerken stellt der Sand keine Gefahr für das Grundwasser dar und die Speicherstollen müssen nicht hermetisch dicht sein.
Weltweites Potenzial von bis zu 70 Terawattstunden
„Um die Wirtschaft zu dekarbonisieren, müssen wir das Energiesystem neu denken und innovative Lösungen auf Basis bestehender Ressourcen finden“, sagt Koautor Behnam Zakeri vom IIASA. „Verlassene Bergwerke in Energiespeicher umzuwandeln ist nur ein Beispiel für die vielen möglichen Lösungen. Wir müssen nur ihre Nutzung anpassen.“ Die Forscher haben kürzlich auch schon das Potenzial von Aufzugsystemen in Hochhäusern als Energiespeicher untersucht.
Weltweit schätzen die Forscher die Kapazität nutzbarer Bergwerksspeicher auf immerhin sieben bis 70 Terawattstunden. Allein in China besteht demnach ein Potenzial von gut fünf Terawattstunden, in Indien und den USA könnten solche UGES-Anlagen rund 649 und 579 Gigawattstunden Strom speichern. Sogar in Europa liegt die Kapazität der alten Bergwerke bei mehr als 550 Gigawattstunden, wie Hunt und seine Kollegen berichten. (Energies, 2023; doi: 10.3390/en16020825)
Quelle: Energies, International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA)