Nachhaltig oder nicht? Biotreibstoffe aus Raps oder Zuckerrübe sparen erst nach jahrzehntelangem Anbau ausgestoßenes Kohlendioxid ein. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam in der genauesten bisher zum Thema durchgeführten Studie. Grund für diesen langen „Rückzahlzeitraum“ ist vor allem die Wahl des Standorts beim Anbau von Spritpflanzen, schreiben die Wissenschaftler im Magazin „Nature Climate Change“.
Um die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid zu senken, sollen nachwachsende Rohstoffe zunehmend fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl ersetzten. Ölpflanzen wie Raps und Soja liefern die Grundlage für Biodiesel, und Bioalkohol stammt etwa aus Mais und Zuckerrüben. Doch diese Biokraftstoffe stehen seit einiger Zeit auch in der Kritik: Der Anbau erfolgt oft nicht unter nachhaltigen Bedingungen, Dünger und landwirtschaftliche Maschinen setzen ebenfalls klimaschädliche Abgase frei.
Gesamtemissionen steigen an
Besonders umstritten ist die Landnutzung für den Anbau von Kraftstoffpflanzen: „Wenn man Marschland oder Wälder für die Produktion von Biosprit umwandelt, verliert man einen wichtigen Kohlendioxid-Puffer“, erklärt Michael Obersteiner vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) bei Wien. „Selbst wenn man so Emissionen durch den niedrigeren Einsatz fossiler Brennstoffe einspart, steigen die Gesamtemissionen letztendlich an.“
Obersteiner und Kollegen haben darum die Effekte dieser Landnutzungsänderung im Detail untersucht. In ihrem Rechenmodell erreichen die Forscher eine Auflösung bis hinunter auf einzelne Anbauflächen. Das Modell berücksichtigt die Emissionen der gesamten Produktionskette, vom Standort über die angebauten Pflanzen bis zur Anbaumethode.
Faktor Nummer eins: Geographie
So lässt sich für jedes Stück Land berechnen, ab wann die darauf produzierten Biotreibstoffe die Pufferwirkung der vorher dort wachsenden Pflanzen ausgleichen. Die Forscher bezeichnen diesen Zeitraum als „Treibhausgas-Rückzahlungszeitraum“ oder „greenhouse gas payback time“.
Den größten Einfluss auf diese Zeitspanne hat den Forschern zufolge, welche Pflanzen vorher auf einer Anbaufläche wuchsen: 90 Prozent der Unterschiede entstehen allein durch den gewählten Standort. „Diese Studie zeigt, dass die Geographie wirklich der beeinflussende Faktor Nummer eins für die direkten Klima-Auswirkungen der Biospritproduktion sind“, sagt Obersteiner.
Raps: Klimaneutral nach 20 Jahren
Doch auch die Pflanzenart und die Anbaumethode wirken sich teilweise drastisch aus: Wächst Raps ohne weitere Maßnahmen wie Dünger oder künstliche Bewässerung auf einem Feld, so liegt der durchschnittliche Rückzahlungszeitraum bei etwa 20 Jahren. Beim Zuckerrohr sind es im weltweiten Mittelwert sogar 60 Jahre.
Intensive Landwirtschaft, also ausgedehnter Einsatz von Dünger und Bewässerung, kann diese Zeitspannen für alle Pflanzen drastisch verkürzen. Doch auch hier tun sich Nachteile auf: Den größten Nutzen hat dies bei Pflanzen, die anderweitig als Nahrungs- und Futtermittel dienen. Winterweizen und Mais zahlen sich ab etwa zehn Jahren durch gesparte CO2-Emissionen aus.
Trotz der hohen Detailgenauigkeit der Studie und der bedeutenden Ergebnisse seien jedoch noch weitere Informationen nötig, um die Nachhaltigkeit von Biosprit zu bewerten: „Wir brauchen noch genauere Daten, was momentan auf einem Stück Land passiert, wenn wir die direkten Effekte biogener Kohlenstoffemissionen durch darauf geplanten Biosprit-Anbau abschätzen wollen“, erklärt Obersteiner. Nachhaltigkeitskriterien sollten darüber hinaus nicht nur für den Anbau von Spritpflanzen, sondern auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft mit in Betracht gezogen werden. (Nature Climate Change, 2015; doi: 10.1038/NCLIMATE2642)
(International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), 12.05.2015 – AKR)