CO2-Capture auf Schienen: Künftig könnten Eisenbahnzüge quasi „nebenbei“ auch das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft filtern – günstiger und stromsparender als bisherige Technologien für das CO2-Capture. Möglich wird dies, indem die Züge spezielle Waggons mitführen, in denen das CO2 aus der Luft abgetrennt wird. Der Vorteil: Der Strom dafür stammt aus dem Bremssystem des Zuges und der Fahrtwind sorgt für ausreichend Lufteinstrom ohne Ventilatoren.
Um den Klimawandel zu stoppen, wird die Menschheit um großtechnische Lösungen wie CO2-Capture nicht herumkommen. Dabei wird das Treibhausgas aus der Luft oder Abgasen abgeschieden und in Gestein, Baustoffen oder anderen Feststoffen gespeichert oder zu chemischen Rohstoffen weiterverarbeitet. Das Problem jedoch: Alle bisherigen Methoden sind teuer und benötigen viel Energie. Diese wird für das Ansaugen der Luft gebraucht, aber auch, um das CO2 wieder vom Absorptionsmittel zu trennen.
Rollende Plattform spart Ansaug-Ventilatoren
Eine günstigere und sparsamere Lösung hat nun ein Team von Forschenden verschiedener Universitäten gemeinsam mit Eric Bachman vom Startup CO2Rail vorgestellt. Statt stationärer Anlagen, die die Luft unter Stromverbrauch einsaugen müssen, nutzen sie eine mobile Plattform, die ohnehin Fahrtwind erzeugt: Eisenbahnen. Wenn man die Technologie zum CO2-Capture in einen Waggon einbaut, wird die zum Filtern nötige Luft quasi frei Haus geliefert.
Konkret besteht der rollende CO2-Fänger aus einem Waggon, der vorne am Dach eine oder mehrere große Einlassöffnungen besitzt. „Bei 111 Stundenkilometer Fahrtgeschwindigkeit könnte jede Öffnung mehr als 10.000 Kubikmeter Luft pro Minute in die Sammelkammer bringen“, berichtet das Team. In dieser Kammer befindet sich die Filtereinheit, die das CO2 mittels flüssiger oder fester Absorber aus der Luft entfernt und bindet. Strom für Ansaugventilatoren ist daher nicht nötig.
Einfangen, abscheiden und Verflüssigen
Dann folgt die CO2-Abscheidung: Dafür schließt der CO2Rail-Waggon seine Öffnungen und verringert den Druck im Innenraum. Je nach verwendetem Absorbermedium wird dann das gebundene CO2 durch Erhitzen, Unterdruck oder elektrische Ladungen herausgelöst, komprimiert und verflüssigt. Das flüssige Kohlendioxid wird dann ein einem Drucktank gespeichert, bis es am Ziel des Zuges oder bei einem Zwischenhalt an einer Bahnstation in stationäre Speicher übertragen werden kann.
Typischerweise ist der Schritt der Wiedergewinnung des CO2 aus dem Absorbermedium besonders energieaufwendig und verursacht bei gängigen Anlagen für das Direct-Air-Capture (DAC) einen hohen Stromverbrauch und – bei Nutzung von konventioneller Energie – erhöhte CO2-Emissionen. Der rollende CO2-Fänger vermeidet dies, indem er nur die vom Zug selbst erzeugte Energie nutzt. Es fallen dadurch keine zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen an.
Strom aus den Bremsen und der Sonne
Möglich wird dies durch zwei Energiequellen: Zum einen besitzen Züge ein Bremssystem, das die kinetische Energie der Vorwärtsbewegung beim Bremsen in elektrische Energie umwandelt. „Jedes Bremsmanöver erzeugt dabei genug elektrischen Strom, um 20 durchschnittliche Haushalte einen Tag lang zu versorgen“, erklärt Bachman. „Bisher geht diese enorme Menge an nachhaltig erzeugter Energie einfach ungenutzt verloren.“ Die CO2Rail-Anlage kann diesen Strom jedoch nutzen.
Eine zweite Energiequelle sind Solarmodule, die auf dem Dach des CO2-Fängers und weiteren Zugwaggons angebracht sind. Beide Stromlieferanten zusammen könnten bei einem Güterzug mit 67 Waggons bis zu 36.500 Kilowattstunden Strom pro 24 Stunden liefern, wie das Team ermittelte. Bei einem Passagierzug wären es immerhin noch bis zu 26.000 Kilowattstunden. Für das CO2-Capture wäre dies mehr als genug: „Wir schätzen die Effizienz je nach Abscheidungstechnik auf 267 bis 427 Kilowattstunden pro Tonne CO2“, sagen Bachman und seine Kollegen.
Kostengünstiger als bisherige Anlagen
Das bedeutet: Würde man einen normalen Güterzug mit einem CO2Rail-Waggon ausrüsten, könnte er im Jahr 3.000 bis 6.000 Tonnen CO2 aus der Luft herausfiltern, ohne dass dafür Strom aus Kraftwerken oder anderen externen Quellen nötig werden. Die Forschenden schätzen die Kosten für dieses rollende CO2-Capture bei großskaliger Umsetzung auf rund 50 US-Dollar die Tonne – damit wäre es auch noch deutlich günstiger als alle bisher laufenden stationären Anlagen.
„Die projizierten Kosten machen die Technologie nicht nur kommerziell umsetzbar, sondern sogar wirtschaftlich attraktiv“, betont Bachmann. Hinzu komme, dass die rollenden CO2-Fänger keine größeren Landflächen besetzen und niemandem die Aussicht verschandeln. „Jeder will etwas gegen den Klimakrise tun, aber keiner möchte dies in einem eigenen Vorgarten“, sagt Koautor Geoffrey Ozin von der University of Toronto. Die Integration in ohnehin fahrende Züge umgehe dieses Problem.
„Die Infrastruktur dafür existiert schon“, sagt Ozin. „Man muss nur das bereits Vorhandene nutzen.“ Das Team arbeitet bereits an einer Variante ihres CO2-Capture-Sytems, das auch die Abgase von Diesellokomotiven direkt einfangen und vom Kohlendioxid befreien kann. (Joule, 2022; doi: 10.1016/j.joule.2022.06.025)
Quelle: Cell Press