Wohin mit dem verseuchten Abwasser? In Fukushima spitzt sich die Lage zu, denn die Tanks für das radioaktiv kontaminierte Wasser aus den Reaktoren laufen voll. Deshalb könnte die japanische Regierung noch in diesem Monat entscheiden, das Wasser ins Meer abzulassen – obwohl es noch radioaktives Tritium und möglicherweise weitere Radionuklide enthält. Während Behörden dies als „harmlos“ bezeichnen, gibt es Protest von Fischern, Landwirten und Umweltschützern.
Der durch ein Erdbeben und Tsunami im März 2011 verursachte Atomunfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi war einer der schwersten in der Geschichte der Kernenergie. Es kam zu Explosionen und einer Kernschmelze in mehreren Reaktoren, radioaktive Isotope von Cäsium, Strontium und auch Uran gelangten in die Umwelt. Die havarierten Reaktoren sind noch immer hochradioaktiv und müssen weiterhin gekühlt werden, durch Lecks in den Anlagen wird das Wasser jedoch verseucht.
Wohin mit dem radioaktiven Abwasser?
Als Folge dieses Problems sammelt sich schon seit Jahren radioaktiv kontaminiertes Wasser in Tanks auf dem Kraftwerksgelände an. Neben Kühlwasser wird dort auch verseuchtes Regen- und Grundwasser aufgefangen und gesammelt – pro Tag sind es insgesamt rund 170 Tonnen. Inzwischen stehen auf dem Gelände gut 1.040 Tanks mit rund 1,23 Millionen Tonnen radioaktiver Abwässer, die Betreiberfirma Tepco schätzt, dass spätestens im Jahr 2022 der Platz für weitere Tanks ausgeht.
Schon seit geraumer Zeit erwägen Tepco und die japanische Regierung, dieses Wasser nach einer Reinigung ins Meer abzuleiten. Durch das sogenannte „Advanced Liquid Processing System“ (ALPS) sollen laut der Betreiberfirma alle Radionuklide außer dem radioaktiven Tritium entfernt werden. Tritium lässt sich mit keiner der bisher vorhandenen Technologien herausfiltern, soll aber für den Menschen nur in sehr hohen Dosen schädlich sein.
Ein Expertengremium der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA hatte eine Einleitung der Fukushima-Abwässer ins Meer Anfang 2020 als weitgehend unbedenklich eingestuft. Allerdings nur mit entsprechenden Sicherheitsstandards: „Dies wird eine anhaltende Überwachung, regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen und ein umfangreiches Monitoring-Programm erfordern“, sagte Christophe Xerri von der IAEA.
Weniger sauber als angegeben?
Doch mit der Sicherheit könnte es nicht weit her sein: Schon 2019 hatten geleakte Tepco-Dokumente verraten, dass das Wasser in den Speichertanks möglicherweise weniger gut gereinigt ist als von der Betreiberfirma angegeben. Demnach könnten noch immer unterschiedlich hohe Dosen an 61 Radionukliden – darunter auch Strontium, Cäsium, Iod und Kobalt – im Wasser enthalten sein.
Auch die Menge an radioaktivem Tritium im Wasser gibt Umweltorganisationen Anlass zur Sorge: „Wir wissen nicht, wie radioaktiv das behandelte Wasser wirklich ist, aber unseren Schätzungen nach liegen allein die Tritiumwerte schon bei rund einer Million Becquerel pro Liter“, sagte bereits 2019 Hideyuki Ban vom Citizens‘ Nuclear Information Center in Japan. Auch bei örtlichen Fischern und Landwirten stößt der Plan auf massiven Widerstand. Sie fürchten, dass Verbraucher Produkte aus der Region meiden könnten.
Entscheidung noch in diesem Monat
Dennoch könnte die japanische Regierung jetzt die Entsorgung der Fukushima-Abwässer ins Meer genehmigen. Die entsprechende formelle Entscheidung soll noch in diesem Monat fallen, wie japanische Medien berichten. Sollte die Regierung das grüne Licht für das Ablassen der gut eine Million Tonnen Abwasser aus Fukushima ins Meer geben, wird diese Entsorgung aber wahrscheinlich erst Anfang 2022 beginnen.
Quelle: IAEA, Kyodo News, Agence France-Presse