Atomares Gedächtnis: Die Ionen einer Feststoffbatterie fließen beim Laden und Entladen nicht gleichmäßig von einer Elektrode zur anderen, sondern springen auf schwer vorhersehbare Weise im atomaren Gitter des Elektrolyts umher. Dabei merken sich die Ionen jedoch offenbar, wo sie zuvor gewesen sind, und springen unter bestimmten Umständen auf diese Positionen zurück, wie Forschende in „Nature“ berichten. Für die Entwicklung robuster Batterien und neuer Materialien ist diese Entdeckung eine große Hilfe.
Festkörper- oder Feststoffbatterien speichern und geben elektrische Ladung ab, indem sie Ionen zwischen zwei Elektroden hin und her bewegen. Die Ionen fließen dabei scheinbar wie ein sanfter Strom durch den Feststoff-Elektrolyten der Batterie. Auf atomarer Ebene betrachtet hüpfen die einzelnen Ionen jedoch innerhalb des Elektrolyten-Atomgitters unregelmäßig von einem freien Platz zum anderen , wie frühere Studien belegen. Diese Sprünge sind schwer vorherzusagen.
Bislang gingen Forschende davon aus, dass sich die Ionen eher zufällig auf ihr Ziel zubewegen: Sie stolpern dahin wie ein Betrunkener, erreichen aber schließlich ihr Ziel. „Beim Ionen-Hopping-Prozess passieren mehrere seltsame und ungewöhnliche Dinge wie plötzliche Sprünge und lange Pausen“, erklärt Aaron Lindenberg vom SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien. „Es gibt ein Element der Zufälligkeit in diesem Prozess, das Experimente schwierig macht.“
Messungen auf atomarer Ebene
Ein Forschungsteam um Lindenberg und Erstautor Andrey Poletayev vom SLAC hat diese Ionen-Bewegungen nun genauer untersucht. Dafür verwendeten die Wissenschaftler unterschiedlich dünne, transparente Kristalle eines Feststoff-Elektrolyten aus der Materialfamilie der Beta-Aluminiumoxide. Diese Materialien verfügen über winzige Kanäle, in denen sich hüpfende Ionen schnell fortbewegen können, und dadurch über eine sehr hohe Leitfähigkeit.
Darüber hinaus gelten diese Elektrolyten als sicherer und langlebiger als flüssige Alternativen wie sie in Lithium-Ionen-Akkus vorkommen. Die Beta-Aluminiumoxide werden daher in gängigen Festkörperbatterien, Natrium-Schwefel-Batterien und elektrochemische Zellen eingesetzt.
Um herauszufinden, wie sich die springenden Ionen innerhalb dieses Materials fortbewegen, verpassten die Wissenschaftler ihnen einen Spannungsstoß mit einem extrem kurzen Laserpuls von etwa einer Pikosekunde. Anschließend detektierten sie das Licht, das nach verschiedenen Zeitabständen aus dem Elektrolyten gebrochen und zurückgesendet wurde. Daraus zogen sie Rückschlüsse über die Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung der Ionen.
Ionen haben ein Kurzzeitgedächtnis
Überraschenderweise änderten die meisten Ionen kurzzeitig ihre Richtung und kehrten zu ihren vorherigen Positionen zurück, bevor sie ihre übliche, eher zufällige Reise fortsetzten, wie die Analysen ergaben. Das sei ein Hinweis darauf, dass sich die Ionen in gewisser Weise daran „erinnerten“, wo sie gerade gewesen waren, berichten Poletayev und seine Kollegen.
„Die Ionen in einer Batterie widerstehen einer harten Erschütterung durch einen Laserlichtstoß, indem sie sich rückwärts bewegen“, sagt Poletayev. Sie nehmen dabei im Atomgitter vorübergehend ihre früheren Plätze ein. Dieses „Gedächtnis“ der Ionen sei jedoch unscharf und extrem kurz: Es dauere nur wenige Pikosekunden, berichten die Wissenschaftler.
Gängige Annahme widerlegt
Die Forschenden schließen daraus, dass sich die Ionen – anders als zuvor angenommen – doch nicht komplett zufällig im Elektrolyten einer Feststoffbatterie bewegen. Ihre Analyse mittels feinerer Messgeräten widerlegt nun diese Interpretation früherer Studien, die mit gröberen Methoden durchgeführt wurden und dadurch zwangsläufig keine so feinen Beobachtungen ergeben konnten.
Die Erkenntnis, dass Ionen eine Art Kurzzeitgedächtnis besitzen, könnte dabei helfen, zum ersten Mal vorherzusagen, was wandernde Ionen als nächstes tun werden. Das sei ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Entwicklung neuer Materialien und Geräte wie wiederaufladbarer Feststoffbatterien. „Unsere Entdeckungen werden dazu beitragen, die Lücke zwischen den atomaren Bewegungen, die wir in einem Computer modellieren können, und der makroskopischen Leistung eines Materials zu schließen“, sagt Poletayev. (Natur, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06827-6)
Quelle: DOE/SLAC National Accelerator Laboratory