Projekt der Superlative: Am 28. Juli ist der Startschuss für den Zusammenbau des Fusionsreaktors ITER gefallen – einem internationalen Pionierprojekt zur Energieerzeugung durch Kernfusion. Ab jetzt werden tonnenschwere Bauteile aus der ganzen Welt nach Südfrankreich geschafft und dort nach einem komplexen Plan zusammengesetzt. Ab 2025 soll ITER das erste Plasma erzeugen und nach Zündung der Fusion 500 Megawatt thermischer Energie produzieren.
Die Kernfusion liefert Sternen ihre Energie und gilt auch auf der Erde als Energie der Zukunft. Doch für die Verschmelzung von Atomkernen sind extreme Hitze und Druck nötig. Zudem würde sich das Fusionsplasma durch alle Wände brennen, so dass es nur durch starke Magnetfelder eingegrenzt werden kann. Bislang ist die Produktion eines solchen Plasmas samt Einschluss nur in wenigen Forschungsreaktoren wie dem Wendelstein 7-X gelungen.
ITER: Kernfusion in ganz neuem Maßstab
Doch nun könnte eine neue Ära beginnen. Denn in Südfrankreich startet heute der Bau des weltgrößten Fusionsreaktors ITER – einer Anlage, die erstmals Strom aus der Kernfusion produzieren soll. ITER beruht auf dem Bauprinzip des sogenannten Tokamak. Bei dieser Anlagenversion wird das Plasma durch ein mehrschichtiges Magnetfeld in eine Ringform gebracht.
Zwar gibt es weltweit schon einige Tokamak-Forschungsreaktoren, bisher aber hat keiner davon die Zündung erreicht – den Punkt, an dem die Kernfusion im Plasma ohne weitere Energiezufuhr von außen von selbst weiterläuft. Das soll ITER erreichen. Beteiligt an dem Mega-Projekt sind 35 Länder, darunter neben der EU auch China, Japan, Südkorea, die USA, Russland und Indien. In den letzten fünf Jahren haben sie die Bauteile der Riesenanlage in Fabriken und Forschungseinrichtungen konstruiert.
Bauteile aus aller Welt
Jetzt beginnt der Zusammenbau von ITER vor Ort in Frankreich. Dafür sind in den letzten Monaten schon die ersten Bauteile aus aller Welt in Frankreich eingetroffen, weitere werden in den nächsten Wochen und Monaten folgen. Einige Komponenten des ITER wiegen mehr als tausend Tonnen und sind mehr als 30 Meter groß, wie die Vakuumkammer und der Kryostat – die Hülle, die für die Hitzeisolierung der Anlage dient. Sie ist die größte je gebaute Edelstahlkammer.
Andere ITER-Bauteile sind sowohl groß als auch hochkomplex, wie die drei Sorten supraleitender, auf minus 269 Gad heruntergekühlter Magnete, die das Plasma gefangen halten sollen. Der stärkste und größte von ihnen ist der aus sechs Teilen bestehende zentrale Solenoid. Er ist stark genug, um einen ganzen Flugzeugträger mit Magnetkraft anzuheben. Der Solenoid erzeugt lange, regelmäßige Magnetpulse – quasi den „Herzschlag“ des Reaktors. Dazu kommen 18 toroidale und sechs poloidale Magnetspulen.
„Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks“
„Diese Maschine Stück für Stück zusammenzusetzen, ist wie die Konstruktion eines dreidimensionalen Puzzles und folgt einem komplexen Zeitplan“, erklärt ITER-Generaldirektor Bernart Bigot. „Alle Aspekte des Projektmanagements, der Systemtechnik, des Risikomanagements und der Logistik beim Zusammenbau dieser Maschine müssen mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks ineinandergreifen.“ Wenn der Bau abgeschlossen ist, wird ITER aus mehr als einer Million Einzelkomponenten bestehen – er ist damit eine der größten und komplexesten Maschinen der Welt.
Der Zusammenbau geschieht in einer riesigen Halle, in der zwei 750 Tonnen schwere, an einer Deckenschiene hängende Kräne die schweren Bauteile mit Millimeter-Präzision an ihre Position heben werden. Schon fast fertiggestellt ist auch die Kühlanlage, in der das flüssige Helium für die Kühlung der supraleitenden Magnete produziert wird. Sie ist eine der größten cryogenischen Anlagen weltweit.
Erstes Plasma im Dezember 2025
Geht alles nach Plan, soll ITER im Dezember 2025 sein erstes Plasma erzeugen – die Vorstufe und Voraussetzung zur Zündung der Kernfusion. Diese erfolgt erst, wenn das Plasma aus Deuterium und Tritium auf mindestens 150 Millionen Grad aufgeheizt ist – das ist zehnmal heißer als im Kern der Sonne. Das Vakuumgefäß von ITER wird 840 Kubikmeter Plasma enthalten – mehr als bei jeder bisher existierenden Tokamak-Fusionsanlage.
Läuft dann die Fusion im Reaktor an, könnte ITER 500 Megawatt thermischer Energie liefern. Die vom Fusionsreaktor erzeugte Hitze wird genutzt, um Wasser zu verdampfen und damit Dampfturbinen anzutreiben, die dann wiederum Strom erzeugen. Theoretisch könnte der Fusionsreaktor auf diese Weise 200 Megawatt Strom liefern – genügend für rund 200.000 Haushalte.
Quelle: ITER