Auch bei einem kurzfristigen Ausstieg aus der Kernenergie sind in Deutschland keine Engpässe oder gar Black-Outs zu befürchten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie europäischer Forscher, die die Auswirkungen von Teil- und Komplett-Ausstieg im Modell simulierten. Dabei wurde erstmals neben der Versorgungssicherheit auch die Auswirkungen auf Im- und Exporte elektrischer Energie sowie auf Netzflüsse und Preise berücksichtigt. Fazit: Selbst eine „Standby“-Haltung von Kernkraftwerken, wie von der Ethikkommission empfohlen, sei unnötig.
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Schon im Vorfeld des Atomausstiegs und auch jetzt noch waren viele Stromkonzerne vor einer Stromlücke – vor Engpässen in der Versorgung, wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Aber wie realistisch sind solche Bedrohungsszenarien? Die von der Bunderegierung eingesetzte Ethikkommission kam bereits Ende Mai zu dem Schluss, dass für die Stromversorgung Deutschlands genügend Alternativen zur Verfügung stehen, um keine „Stromlücke“ entstehen zu lassen und befürwortete einen schnellen Ausstieg. Jetzt ist eine weitere Studie erschienen, die genau dies belegt.
Die Studie wurde von Forschern der Technischen Universität Berlin in Kooperation mit der TU Dresden und dem europäischen Hochschulinstitut in Florenz erstellt. In ihr untersuchten die Forscher zwei Ausstiegsszenarien: einerseits die Außerbetriebnahme nur der älteren Meiler und andererseits die eines sofortigen vollständigen Ausstiegs aus der Kernenergie ohne weitere Anpassungen im Kraftwerkspark. Analysiert wurde dabei die Auswirkung der Szenarien auf die Stromversorgung, auf Im- und Exporte elektrischer Energie sowie auf Netzflüsse und Preise.
Teilabschaltung ohne große Folgen
Das Ergebnis bestätigt die Meinung der Ethikkommission und widerlegt die Bedrohungsszenarien der Stromerzeuger: Bei der Abschaltung der sieben ältesten Meiler sowie dem Kernkraftwerk Krümmel ergeben sich insgesamt nur geringe Auswirkungen auf das deutsche Stromsystem. Auch der komplette Wegfall der Kernenergie stellt sich nach Ansicht der Forscher unproblematisch dar: Würden schon heute alle Kernkraftwerke ohne weitere Anpassungen im Stromversorgungsnetz abgeschaltet, träte in den Stoßzeiten des Strombedarfs eine Stromlücke von rund einem Gigawatt auf. Diese wäre zurzeit nicht durch Kraftwerke oder Stromimporte zu decken.
Kraftwerks-Neubauten und Importe schließen Lücke
Anders jedoch die Situation, wenn der Atomausstieg wie geplant erst stufenweise bis 2022 erfolgt: „Die Ergebnisse belegen jedoch, dass die Fehlmengen in einem Bereich liegen, der durch die zukünftigen Kraftwerksneubauten gedeckt werden kann. Ein Ausstieg in den kommenden Jahren bei entsprechender Kapazitätserweiterung im fossilen aber auch im erneuerbaren Bereich erscheint somit ohne eine Gefährdung der Versorgungssicherheit möglich“, erklären die Forscher in ihrer Studie.
Bis 2013 erwarten Experten den Zubau von zehn Gigawatt (GW) konventioneller Kraftwerkskapazität sowie etwa derselben Menge bei erneuerbaren Energien. Der Nettokraftwerkszubau von mindestens fünf bis neun Gigawatt könnte daher die Stromlücke ausgleichen. Die Integration Deutschlands in das europäische Stromsystem ermögliche zudem den Bezug zusätzlicher Strommengen vor allem aus den Niederlanden, Österreich und Polen. Zusätzliche Kernenergieimporte aus Frankreich oder Tschechien wären nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht notwendig.
„Standby“ von Kernkraftwerken unnötig
Auch die „Standby“-Haltung eines oder mehrerer Kernkraftwerke für Notfälle sei nicht notwendig: „Die Idee, alte Kernkraftwerke oder auch inflexible Kohlekraftwerke als ‚kalte Reserve‘ zu halten, ist technisch unsinnig und ökonomisch ineffizient“, so Christian von Hirschhausen, Professor für Infrastrukturpolitik an der TU Berlin. Fazit der Autoren: Ein Ausstieg insbesondere vor dem Hintergrund der sich derzeit im Bau befindlichen konventionellen sowie erneuerbaren Kraftwerkskapazitäten in den nächsten drei bis sieben Jahren ist ohne die Gefahr von Versorgungsengpässen ohne weiteres möglich.
Download der Studie auf der WIP-Webseite
(TU Berlin, 08.06.2011 – NPO)