Technisch schon machbar – aber lohnt es sich?
Was zunächst utopisch klingt, ist technisch bereits problemlos machbar und wird teilweise schon kommerziell eingesetzt, wie Dittmeyer und sein Team betonen. Dazu gehören Methoden, um CO2 effektiv aus der Luft einzufangen, aber auch Systeme, die aus CO2 mithilfe von Katalysatoren Synthesegas oder alternative Treibstoffe produzieren, wie beispielsweise sogenannte Power-to-Liquid-Anlagen.
Die große Frage jedoch ist: Würde solch eine solche Umrüstung von Klimaanlagen rentieren? Und wie hoch wäre der zusätzliche Strombedarf? Das haben die Wissenschaftler nun an drei Fallbeispielen durchgerechnet: dem Messeturm in Frankfurt als Beispiel für ein Bürohochhaus, den rund 25.000 Supermärkten der drei größten deutschen Lebensmittelketten und einem Niedrigenergie-Wohnhaus mit fünf bis sechs Wohnungen.

Blick auf den Frankfurter Messeturm, eines der Fallbeispiele. Immanuel Giel © CC-by-sa 4.0
1,5 Tonnen CO2 pro Stunde
Die Auswertung ergab: Der Frankfurter Messeturm könnte mit entsprechender Umrüstung seiner Klimaanlage pro Stunde 0,75 bis 1,5 Tonnen CO2 aus der Luft einfangen. Durch die Kombination des Air-Capture mit den existierenden Anlagen würde dafür kaum zusätzlicher Strom benötigt werden, wie die Forscher berichten. Die nötige Wärme von 100 Grad könnte durch Fernwärme oder Solarthermie gewonnen werden.
Um das vom Messeturm gesammelte CO2 in flüssige Kohlenwasserstoff-Treibstoffe umzuwandeln, könnte man fertige Container-Systeme oder Fischer-Tropsch-Synthesemodule einsetzen. Die Energieeffizienz liegt dabei nach den Berechnungen der Forscher zwischen 50 und 60 Prozent. „Basierend auf den Leistungen der Module könnten aus dem vom Messeturm eingefangenen CO2 pro Stunde 250 bis 500 Kilogramm Kraftstoff produziert werden“, berichten Dittmeyer und sein Team. Im Jahr entspräche dies 2.000 bis 4.000 Tonnen.
Machbar auch für Supermärkte und Wohnhäuser
Würde man die 25.000 die Lüftungsanlagen der rund 25 000 Supermärkte der drei größten Lebensmittelhändler Deutschlands umrüsten, könnten sie 1.000 Tonnen CO2 pro Stunde aus der Luft entfernen und dabei im Jahr drei Millionen Tonnen alternative Treibstoffe produzieren. „Das entspricht rund acht Prozent des gesamten Dieselverbrauchs in Deutschland oder 30 Prozent des Kerosinbedarfs“, so die Forscher.
Und auch für Wohnungen könnte diese Lösung durchaus machbar sein, wie Dittmeyer und sein Team ermittelten. Ein Haus mit fünf bis sechs Wohnungen wie in der Freiburger Vauban-Siedlung würde 0,5 Kilogramm Co2 pro Stunde einfangen und könnte daraus vier bis fünf Kilogramm Treibstoff pro Tag erzeugen. Für diese Umwandlung wären vier bis fünf Kilowatt zusätzlicher Strom nötig.
Großes Potenzial
„Diese drei Beispiele illustrieren das Potenzial, das die Kombination von Klimaanlagen mit Air-Capture-Systemen hätte“, erklären die Forscher. Denn dadurch könnte man Synergien zwischen der Lüftungs- und Klimatechnik und den CO2-Capture und -Umwandlungsverfahren nutzen, um Kosten und Energiebedarf zu senken. Mithilfe der Massenfertigung solcher Module, dem 3D-Druck und der Digitalisierung könnten solche Systeme in Zukunft noch kleiner und wirtschaftlicher werden, wie die Wissenschaftler betonen.
„Diese Technik könnte signifikante Auswirkungen auf die CO2-Emissionen haben und gleichzeitig erneuerbare Energie in Form von energiereichen chemischen Kraftstoffen speichern“, erklären Dittmeyer und seine Kollegen. „Darüber hinaus könnten durch ‚crowd oil‘ viele neue Akteure für die Energiewende mobilisiert werden. Wie gut das funktionieren kann, haben wir bei den privaten Photovoltaikanlagen gesehen.“ (Nature Communications, 2019: doi: 10.1038/s41467-019-09685-x)
Quelle: Nature, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
3. Mai 2019
- Nadja Podbregar