Unterschätzte Feinstaubquelle: Ausgerechnet modernste Kohlekraftwerke stoßen mehr Ultrafeinstaub aus als bisher angenommen. Ihre Emissionen von Partikeln kleiner als 100 Nanometer übertreffen inzwischen sogar die von Städten und dem Straßenverkehr, wie eine Studie enthüllt. Die Folge davon: Die ultrafeinen Teilchen beeinflussen Wolkenbildung und Klima, fördern aber auch extreme Wettereignisse, wie die Forscher berichten.
Feinstaub ist ein globales Problem. Die winzigen Partikel von weniger als 100 Nanometer bis wenige Mikrometer Größe sind gesundheitsschädlich und könnten weltweit für Millionen Todesfälle verantwortlich sein. Gleichzeitig wirken gerade die ultrafeinen Feinstaub-Partikel als Kondensationskeime für Wolken und können sogar Stürme fördern. Feinstaub kann zwar auch durch natürliche Prozesse entstehen, ein Großteil stammt aber heute aus anthropogenen Quellen wie der Landwirtschaft, Industrie, fossilen Brennstoffen oder dem Verkehr.
Rätselhafter Feinstaub-Anstieg auf dem Land
Rätselhaft war jedoch bisher, warum die Ultrafeinstaub-Belastung in vielen ländlichen Gebieten in den letzten Jahrzehnten sogar angestiegen ist. „Obwohl die Feinstaubwerte in diesen Regionen normalerweise weit niedriger sind als in Städten oder Industriegebieten, wurden in den letzten 30 Jahren dort häufiger Konzentrationen gemessen, die denen an urbanen Straßen vergleichbar sind“, berichten Wolfgang Junkermann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und seine Kollegen.
Um dem Ursprung dieses Feinstaubs auf die Spur zu kommen, haben die Forscher eine Langzeit-Messkampagne mit Forschungsflugzeugen durchgeführt. Mit hochsensiblen Messinstrumenten fahndeten sie in ländlichen Gebieten weltweit nach Hotspots der Feinstaubemissionen und möglichen Quellen. Diese Daten glichen Junkermann und Kollegen mit meteorologischen Beobachtungen sowie Ausbreitungs- und Transportmodellen ab.
Nebenwirkung moderner Abgasreinigung
Das überraschende Ergebnis: Überall dort, wo in den letzten Jahren hochmoderne Kohlekraftwerke erbaut worden sind, nahm auch die Belastung mit Ultrafeinstaub zu. „Die steigende Zahl kurzlebiger Ultrafeinstaub-Wolken weltweit korreliert mit der Zunahme solcher modernen ’sauberen‘ Kohlekraftwerke“, berichten Junckermann und seine Kollegen. „Wir konnten zeigen, dass fossile Kraftwerke inzwischen zu den weltweit stärksten Einzelquellen für ultrafeine Partikel geworden sind.“
Ausgerechnet die vermeintlich sauberen, abgasarmen Kraftwerke stoßen demnach besonders viele Partikel von weniger als 100 Nanometern Größe aus. Den Grund dafür sehen die Forscher in der modernen Abgasreinigung: Die jüngsten Änderungen in der Reinigungstechnologie unterdrückt zwar Feinpartikel und Stickoxide, führt aber zu einem dramatischen Anstieg der ultrafeinen Nukleationskeime, so die Wissenschaftler.
Vermehrt Dürren und Starkregen
Das Problem daran: Gerade weil die ultrafeinen Partikel so winzig sind, haben sie gewaltigen Einfluss auf Umweltprozesse: „Sie bieten Oberflächen für chemische Reaktionen in der Atmosphäre oder können als Kondensationskerne die Eigenschaften von Wolken und Niederschlag beeinflussen“, erklärt Junkermann. Sind viele Ultrafeinstaub-Partikel in der Luft, bilden sich besonders kleine Wolkentröpfchen und es dauert länger, bis sich Regentropfen bilden können.
„Das kann zu längeren Dürreperioden führen, aber auch die Häufigkeit und Intensität von sintflutartigen Regenfällen erhöhen“, sagen die Forscher. Denn in den Wolken sammeln sich dann im Laufe der Zeit so viele Tröpfchen an, dass sie beim Abregnen entsprechend große Wassermassen zur Erde fallen lassen. (Bulletin of the American Meteorological Society, 2018; doi: 10.1175/BAMS-D-18-0075.1)
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie