
Eher eine Tonne als ein Ring: Der Skunk Works-Kompaktreaktor von außen © Lockheed Martin
Kompaktreaktor: Flasche statt Ring
Diese Probleme wollen nun die Forscher bei der Lockheed Martin Forschungsgruppe Skunk Works überwunden haben – zumindest theoretisch. „Unser kompaktes Konzept kombiniert mehrere verschiedene Magneteinschluss-Ansätze und nutzt dabei die besten Teile von jedem“, erklärt Tom McGuire, Leiter des Fusionsprogramms bei Lockheed Martin. Soweit sich aus den spärlichen bisher veröffentlichten Informationen entnehmen lässt, ist der Magnetkäfig dieses Reaktors dabei nicht ringförmig, wie bei den meisten heutigen Versuchsreaktoren.
Stattdessen greift Lockheed Martin zwei Konzepte aus den Anfangszeit der Fusionsforschung auf: die magnetische Flasche und den magnetischen Spiegel. Dabei erzeugen Elektromagneten ein Feld, das zu den Enden des schmal zulaufenden Reaktors immer stärker wird. Weil die Magnetfeldlinien dort immer enger werden, kreisen die Atomkerne im Plasma immer schneller um diese herum, bewegen sich dabei aber nicht mehr weiter fort und kehren schließlich sogar ihre Richtung um. Dadurch wird verhindert, dass das Plasma an den Enden der „Flache“ hinausschießt. „Statt eines Fahrradreifens haben wir eher etwas wie eine Röhre, die sich zu einer immer stärker werdenden Wand erweitert“, erklärt McGuire im MagazinAviation Week.
Fusionszündung in fünf Jahren angekündigt
Nach Angaben des Unternehmens sind bereits mehrere Patente für die Technologie eingereicht worden, ein erster Versuchsreaktor der halben Größe soll schon existieren. Klappt der Plan, jedes Jahr eine Versuchsgeneration zu bauen und zu testen, dann soll in fünf Jahren ein Prototyp fertig sein, der den entscheidenden Schritt schafft: die Zündung und Aufrechterhaltung der Kernfusion. „Das wäre der Nobelpreis-Moment“, so McGuire. Denn dieser Punkt ist bisher in keiner der Testanlagen erreicht worden. Bis dahin seien allerdings noch einige Herausforderungen zu meistern, räumt auch Lockheed Martin ein.
In zehn Jahren soll dann ein 100 Megawatt Fusionsreaktor gebaut werden, der kommerziell nutzbar ist und mit herkömmlichen Kraftwerken konkurrieren kann. Er wäre dann nur so groß wie ein Lastwagen, könnte aber genügend Energie erzeugen, um rund 100.000 Haushalte zu versorgen. Nach Schätzungen von Lockheed würden für ein Jahr Betrieb dieses Reaktors rund 25 Kilogramm Brennstoff in Form von Deuterium und Tritium benötigt werden.
Mit diesem PR-Video erklärt Lockheed Martin seinen kompakten Fusionsreaktor© Lockheed Martin
Plasmaphysiker sind skeptisch
Bisher allerdings wurden keinerlei Einzelheiten zur Technik veröffentlicht – was es nahezu unmöglich macht, die Verlautbarungen einzuschätzen. Lockheed hat zwar angekündigt, schon bald erste Ergebnisse der Tests und Versuchsreihen in Fachjournalen mit Peer Review zu veröffentlichen. Aber bis dahin tappen Fusionsforscher weitgehend im Dunkeln.
Entsprechend skeptisch sehen die meisten Plasmaphysiker die Ankündigung des Kompakt-Fusionsreaktors: „Man muss schon sehr skeptisch sein, ob das Ganze standhält, wenn einmal die Details offen gelegt werden“, kommentiert Stephen Dean von der Organisation Fusion Power Associates auf der Website des Fachmagazins „Nature“. Auch bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft heißt es: „Ab und an vorgeschlagene Alternativkonzepte, die sehr kompakte Anlagen versprechen, werden von Plasmawissenschaftlern sehr skeptisch gesehen.“
Warum der kompakte Reaktor nicht funktionieren kann
Bisherige Forschung zeigt, dass eine gewisse Mindestgröße für einen Reaktor nötig ist. Denn nur dann lässt sich das Plasma heiß genug halten. Ist die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen größer, wie beispielweise bei der angekündigten Kompaktanlage, ist eine ausreichende Wärmedämmung kaum möglich. Man bräuchte dann mehr Energie zum Heizen als man durch die Fusion erzeugen kann.
Nach Ansicht von Plasmaphysikern ist die von Lockheed Martin so gerühmte Kombination von Konzepten – des einer magnetischen Flasche und eines magnetischen Spiegels – zudem weder neu noch erfolgversprechend. Es gebe physikalische und technische Gründe, warum diese Kombination sicher nicht zum Erfolg führen werde, erklärte der Physiker Karl Lackner vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching gegenüber der Welt.
Die Entwickler von Lockheed Martin wären nicht die ersten, die vollmundige Ankündigungen einer schnell machbaren Fusion in die Welt setzen, dann aber nicht liefern können. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hier um mehr handelt als eine wirksame PR-Aktion.
(Nature/ Lockheed Martin / AViation Week, 22.10.2014 – NPO)
22. Oktober 2014