Energie

Kompakte Kernfusion – alles nur PR?

Vollmundige, aber vage Ankündigungen von Lockheed Martin wecken Skepsis

Magnetspulen in einem Modell des Kompakt-Fusionsreaktors von Lockheed Martin © Lockheed Martin

Es klingt zu schön um wahr zu sein – und ist es nach Ansicht vieler Experten auch: Ein Fusionsreaktor im LKW-Maßstab, der genügend Energie für eine ganze Kleinstadt liefert. Die US-Firma Lockheed Martin machte letzte Woche damit Schlagzeilen, schon in zehn Jahren soll ihr Mini-Fusionsreaktor fertig sein. Gelänge dies, wäre das ein echter Durchbruch. Aber angesichts der enormen Hürden dieser Technologie und jahrzehntelanger erfolgloser Versuche der internationalen Forschergemeinschaft ist eher Skepsis geboten.

Fusionsforscher träumen schon seit gut 50 Jahren davon, die Verschmelzung von Atomkernen als neue Energiequelle nutzbar zu machen – und damit die Energiequelle der Sterne auf die Erde zu holen. Doch alle Versuche einer Umsetzung sind bisher gescheitert. Denn um die gegenseitige Abstoßung der Atomkerne zu überwinden, sind ein extrem hoher Druck und enorme Temperaturen nötig. Unter irdischen Bedingungen zündet die Kernfusion erst bei über 100 Millionen Grad – einer Temperatur, der kein irdisches Material standhalten kann.

Der Einschluss ist das Problem

Das Fusions-Plasma muss aber eng zusammengehalten werden, damit die Atomkerne gezwungen werden, miteinander zu kollidieren und die Kettenreaktion der Verschmelzung in Gang kommt. Eine Lösung liefern starke Magnetfelder, mit denen sich das geladene Plasma kontrollieren lässt. Die zurzeit laufenden oder geplanten Testanlagen nutzen dabei entweder ein ringförmiges mehrschichtiges Magnetfeld – den Tokamak-Ansatz – oder aber ein durch besonders geformte Spulen erzeugtes, in sich verdrilltes Magnetfeld, den Stellarator-Ansatz.

Bisher allerdings hat es keine dieser Anlagen geschafft, eine Kernfusion zu zünden und in Gang zu halten – trotz milliardenschwerer Investitionen und jahrzehntelanger Forschung. Die Tokamaks erreichen zwar die erforderlichen Plasmatemperaturen, laufen aber nur pulsweise und komprimieren das Plasma nicht stark genug. Stellaratoren produzieren zwar ein ausreichend dichtes Plasma, heizen aber weniger effektiv. Mehr Energie zu erzeugen als hineingesteckt werden muss, ist bisher keiner Anlage gelungen.

Eher eine Tonne als ein Ring: Der Skunk Works-Kompaktreaktor von außen © Lockheed Martin

Kompaktreaktor: Flasche statt Ring

Diese Probleme wollen nun die Forscher bei der Lockheed Martin Forschungsgruppe Skunk Works überwunden haben – zumindest theoretisch. „Unser kompaktes Konzept kombiniert mehrere verschiedene Magneteinschluss-Ansätze und nutzt dabei die besten Teile von jedem“, erklärt Tom McGuire, Leiter des Fusionsprogramms bei Lockheed Martin. Soweit sich aus den spärlichen bisher veröffentlichten Informationen entnehmen lässt, ist der Magnetkäfig dieses Reaktors dabei nicht ringförmig, wie bei den meisten heutigen Versuchsreaktoren.

Stattdessen greift Lockheed Martin zwei Konzepte aus den Anfangszeit der Fusionsforschung auf: die magnetische Flasche und den magnetischen Spiegel. Dabei erzeugen Elektromagneten ein Feld, das zu den Enden des schmal zulaufenden Reaktors immer stärker wird. Weil die Magnetfeldlinien dort immer enger werden, kreisen die Atomkerne im Plasma immer schneller um diese herum, bewegen sich dabei aber nicht mehr weiter fort und kehren schließlich sogar ihre Richtung um. Dadurch wird verhindert, dass das Plasma an den Enden der „Flache“ hinausschießt. „Statt eines Fahrradreifens haben wir eher etwas wie eine Röhre, die sich zu einer immer stärker werdenden Wand erweitert“, erklärt McGuire im MagazinAviation Week.

Fusionszündung in fünf Jahren angekündigt

Nach Angaben des Unternehmens sind bereits mehrere Patente für die Technologie eingereicht worden, ein erster Versuchsreaktor der halben Größe soll schon existieren. Klappt der Plan, jedes Jahr eine Versuchsgeneration zu bauen und zu testen, dann soll in fünf Jahren ein Prototyp fertig sein, der den entscheidenden Schritt schafft: die Zündung und Aufrechterhaltung der Kernfusion. „Das wäre der Nobelpreis-Moment“, so McGuire. Denn dieser Punkt ist bisher in keiner der Testanlagen erreicht worden. Bis dahin seien allerdings noch einige Herausforderungen zu meistern, räumt auch Lockheed Martin ein.

In zehn Jahren soll dann ein 100 Megawatt Fusionsreaktor gebaut werden, der kommerziell nutzbar ist und mit herkömmlichen Kraftwerken konkurrieren kann. Er wäre dann nur so groß wie ein Lastwagen, könnte aber genügend Energie erzeugen, um rund 100.000 Haushalte zu versorgen. Nach Schätzungen von Lockheed würden für ein Jahr Betrieb dieses Reaktors rund 25 Kilogramm Brennstoff in Form von Deuterium und Tritium benötigt werden.

Mit diesem PR-Video erklärt Lockheed Martin seinen kompakten Fusionsreaktor© Lockheed Martin

Plasmaphysiker sind skeptisch

Bisher allerdings wurden keinerlei Einzelheiten zur Technik veröffentlicht – was es nahezu unmöglich macht, die Verlautbarungen einzuschätzen. Lockheed hat zwar angekündigt, schon bald erste Ergebnisse der Tests und Versuchsreihen in Fachjournalen mit Peer Review zu veröffentlichen. Aber bis dahin tappen Fusionsforscher weitgehend im Dunkeln.

Entsprechend skeptisch sehen die meisten Plasmaphysiker die Ankündigung des Kompakt-Fusionsreaktors: „Man muss schon sehr skeptisch sein, ob das Ganze standhält, wenn einmal die Details offen gelegt werden“, kommentiert Stephen Dean von der Organisation Fusion Power Associates auf der Website des Fachmagazins „Nature“. Auch bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft heißt es: „Ab und an vorgeschlagene Alternativkonzepte, die sehr kompakte Anlagen versprechen, werden von Plasmawissenschaftlern sehr skeptisch gesehen.“

Warum der kompakte Reaktor nicht funktionieren kann

Bisherige Forschung zeigt, dass eine gewisse Mindestgröße für einen Reaktor nötig ist. Denn nur dann lässt sich das Plasma heiß genug halten. Ist die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen größer, wie beispielweise bei der angekündigten Kompaktanlage, ist eine ausreichende Wärmedämmung kaum möglich. Man bräuchte dann mehr Energie zum Heizen als man durch die Fusion erzeugen kann.

Nach Ansicht von Plasmaphysikern ist die von Lockheed Martin so gerühmte Kombination von Konzepten – des einer magnetischen Flasche und eines magnetischen Spiegels – zudem weder neu noch erfolgversprechend. Es gebe physikalische und technische Gründe, warum diese Kombination sicher nicht zum Erfolg führen werde, erklärte der Physiker Karl Lackner vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching gegenüber der Welt.

Die Entwickler von Lockheed Martin wären nicht die ersten, die vollmundige Ankündigungen einer schnell machbaren Fusion in die Welt setzen, dann aber nicht liefern können. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hier um mehr handelt als eine wirksame PR-Aktion.

(Nature/ Lockheed Martin / AViation Week, 22.10.2014 – NPO)

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