Energie

Mehr Blackouts durch intelligente Stromzähler?

Schwankungen am Strommarkt könnten Stromnetze zusammenbrechen lassen

Intelligente Stromzähler passen den Stromverbrauch an den aktuellen Strompreis an. © EVB Energie AG / CC-by-sa 3.0

Stromsparen bis zum Blackout? Intelligente Stromzähler sollen Schwankungen im Stromnetz ausgleichen – und könnten gerade dadurch zu Stromausfällen führen. Da die Geräte auf Angebot und Nachfrage reagieren, könnten auch am Strommarkt Blasen und Zusammenbrüche wie an der Finanzbörse entstehen, wie deutsche Physiker in Computersimulationen herausgefunden haben. Beim großflächigen Einsatz intelligenter Stromzähler müssten Versorger daher unbedingt auf diese Effekte vorbereitet sein, um Blackouts zu vermeiden, warnen die Forscher.

Sogenannte „intelligente Stromzähler“ sind in Deutschland seit 2010 in Neubauten Pflicht: Die Geräte sollen dabei helfen, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Die wachsende Menge an Strom aus erneuerbaren Energiequellen verstärkt diese Schwankungen bereits: Der Wind weht nicht immer gleich stark, und die Sonne scheint nicht überall gleich. Wird mehr Strom produziert, so sinkt der Strompreis ab – bei Windstille oder bewölktem Himmel dagegen sinkt die Produktion, so dass die Nachfrage und damit auch der Preis ansteigen.

Grundidee aus der Wirtschaftstheorie

Mit intelligenten Stromzählern kann man sich darauf einstellen: Die Geräte zählen nicht nur den Stromverbrauch im Haus, sie erhalten auch Informationen über den aktuellen Strompreis. Damit lässt sich beispielsweise eine Waschmaschine so programmieren, dass sie erst anspringt, wenn der Strompreis unter eine bestimmte Grenze fällt.

Der Eigentümer spart so einerseits Geld, andererseits verlagert sich der Strombedarf auf Zeiten, wenn ohnehin mehr Strom zur Verfügung steht – die Schwankungen im Netz werden abgefangen. „Die Grundidee dahinter stammt aus der Wirtschaftstheorie, nach der Angebot und Nachfrage den Preis regeln“, fasst Stefan Bornholdt von der Universität Bremen zusammen. „Und darüber soll dann wiederum die Stromnachfrage angepasst werden: Viel Strom – viele Abnehmer, wenig Strom – wenige Abnehmer.“

„Chaotisch, wild und zappelig“

Doch darin liegt nach Ansicht von Bornholdt und seinen Kollegen auch ein Problem: Das Modell berücksichtige nicht die Folgen, wenn eine riesige Zahl an Stromverbrauchern gleichzeitig um den günstigsten Preis konkurriert. „Denn natürlich wollen alle ihre Wäsche waschen, wenn der Strom am billigsten ist“, so Bornholdt. Die Wissenschaftler haben diese Konkurrenzsituation am Strommarkt im Computer simuliert und dabei herausgefunden, dass es dort so „chaotisch, wild und zappelig“ zugehen kann wie an einer Finanzbörse.

Im Beispiel der Waschmaschine etwa führe ein hoher Strompreis zunächst dazu, dass viele Menschen erst einmal auf fallende Preise warten. „Aber das geht nicht unendlich lang, weil es sich beim Waschen um ein Grundbedürfnis handelt“, erläutert Bornholdt. „Je mehr von den Menschen vorprogrammierte Waschmaschinen nun auf ihren Start warten, desto höher steigt die potentielle Nachfrage: Eine Nachfrage-Blase bildet sich.“

Lawinen-Mechanismus bis zum Blackout

Und die platzt spätestens, sobald der Preis wieder etwas absinkt: Weil viele Konsumenten aufgrund des sich aufstauenden Waschbedürfnisses ihre „Schmerzgrenze“ nach oben angepasst haben, starten plötzlich unzählige Waschmaschinen auf einmal. „Dann wird ein kollektiver Lawinen-Mechanismus ausgelöst, der die Stromnetze extrem belastet – Blackouts wegen unerwarteter Überlastung nicht ausgeschlossen“, so der Physiker.

Den Wissenschaftlern zufolge müssen solche Szenarien beim Einsatz der intelligenten Stromzähler stärker berücksichtigt werden. Nicht nur die einzelnen Stromverbraucher, auch die Versorger müssten über einen möglichen „Massenandrang“ informiert sein. „Der Einzelne weiß in solch einer Situation natürlich nicht, welche Folgen sein Verhalten hat, wenn es sich potenziert“, sagt Bornholdt. „Und leider wissen es auch diejenigen noch nicht, die den Strom bereitstellen.“ (Physical Review E 2015, doi: 10.1103/PhysRevE.92.012815)

(Universität Bremen, 27.07.2015 – AKR)

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