Überschätzter Effekt? Das Risiko von Blackouts durch erneuerbare Energien wie Wind und Sonne ist möglicherweise deutlich geringer als gedacht, wie US-Forscher berichten. Demnach gab es in US-Bundesstaaten mit hohem Anteil von Sonnen- und Windstrom in den letzten 20 Jahren sogar weniger Stromausfälle als in Staaten mit primär fossilen Energien. Zudem waren die Blackouts in Stromnetzen mit vielen Erneuerbaren im Schnitt kürzer und weniger ausgedehnt, wie das Team in „Nature Energy“ berichtet.
Es ist ein gerne heraufbeschworene Schreckensszenario: Wenn die Stromerzeugung in zu großem Maße von wetterabhängigen Quellen wie Wind und Sonne abhängt, gefährdet dies die Stabilität der Stromnetze, heißt es. Denn die schwankende Einspeisung aus diesen erneuerbaren Energien kann dann nicht mehr abgepuffert werden und überlastet das sensible System der Stromnetze. Dies gilt besonders bei extremen Wetterereignissen wie Stürmen oder „Dunkelflauten“. Die Folge wäre im Extremfall ein Netzkollaps – ein Blackout.
„Stromnetzbetreiber betrachten diese wetterabhängigen Erneuerbaren daher gerne als Störfaktoren für die Regelung des Stromnetzes“, erklären Jin Zhao und seine Kollegen von der University of Tennessee. „Ein Mangel an Wissen über die tatsächlichen Auswirkungen wetterabhängiger Stromquellen auf Blackouts hat zu Zweifeln an ihrer Nützlichkeit und in einigen Fällen sogar zu einem Backlash gegen den Wind- und Solarenergie-Ausbau geführt.“
Anfälliger gegenüber Wetterextremen?
Tatsächlich gab es bereits Blackouts, an denen erneuerbare Energien zumindest in Teilen schuld waren, wie das Team berichtet. Diese ereigneten sich vor allem dann, wenn Wind- oder Solaranlagen wegen eines Wetterextrems plötzlich und unvorhergesehen ausfielen. Im August 2019 traf beispielsweise ein Blitzeinschlag den Hornsea Offshore-Windpark vor der britischen Küste, der abrupte Ausfall löste einen weitreichenden Stromausfall aus. 2016 gab es in Australien einen regionalen Blackout, als Windfarmen wegen eines Hurrikans ausfielen.
Doch wie allgemeingültig und übertragbar sind solche Vorkommnisse? Um das zu klären, haben Zhao und sein Team Stromausfälle in allen 48 kontinentalen US-Bundesstaaten in der Zeit von 2001 bis 2020 ausgewertet. Dabei untersuchten sie jeweils den Anteil wetterabhängiger Erneuerbarer an der Stromproduktion, die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des Blackouts und das Ausmaß der Ausfälle in Bezug auf Fläche und Zahl der betroffenen Menschen.
Blackouts weniger häufig und weniger gravierend
Das Ergebnis überraschte: In den US-Bundesstaaten, in denen Wind- und Sone bereits einen höheren Anteil an der Stromversorgung haben, gab es sogar weniger Blackouts. „Obwohl Wind- und Solarenergie wetterabhängig und nicht schnell regelbar sind, zeigt unsere Studie keinen Beleg dafür, dass sie die Anfälligkeit von Stromnetzen für wetterabhängige Ereignisse erhöhen“, berichten die Forschenden. Dies gelte sogar für Wetterextreme wie Stürme.
Stattdessen erwiesen sich Stromnetze mit höherem Anteil von Sonnen- und Windanlagen sogar als resilienter: „Die Wahrscheinlichkeit für wetterbedingte Stromausfälle mit mehr als 50.000 betroffenen Stromkunden sinkt in solchen Netzen um mehr als 50 Prozent“, berichten Zhao und seine Kollegen. Die Blackouts in Stromnetzen mit hohem Anteil von Solar- und Windstrom waren zudem in der Regel weniger schwerwiegend und anhaltend als in US-Bundesstaaten mit weniger Erneuerbaren.
„In den Blackout-Kategorien mit deutlichen Unterschieden zwischen den Stromnetzen sind es immer die stärker von Erneuerbaren geprägten Netze, bei denen weniger Nutzer betroffen sind, das Stromangebot weniger stark absinkt und der Stromausfall kürzer anhält“, schreiben die Forschenden.
Anpassung an Erneuerbare macht Stromnetze resilienter
Dies widerspricht zwar nicht der Tatsache, dass Stromnetze durch die schwankende Stromeinspeisung von Wind- und Solaranlagen stärker belastet sind und eine komplexere Steuerung erfordern, wie Zhao und sein Team betonen. „Auf der Ebene der gesamten Stromnetze betrachtet ist die Stromerzeugung aus wetterabhängigen erneuerbaren Energien aber möglicherweise nicht so anfällig wie allgemein angenommen“, so Zhao.
Gerade die Anpassung der Stromnetze und Kontrollsysteme an diese Herausforderungen erhöht auch insgesamt die Stabilität – sofern diese Anpassungen erfolgen. Zumindest gegen wetterabhängige Ausfälle scheinen solche Netze dadurch sogar besser gewappnet als zuvor. Zu solchen stabilisierenden Maßnahmen gehören unter anderem Energiespeicher als Puffer im Netz, beispielsweise in Form von thermischen Speichern, speziellen Batterien, Pumpspeichern oder der Wasserstoffproduktion.
Aber auch die überregionale Verknüpfung der Stromnetze einerseits und bessere zentrale Steuermöglichkeiten für dezentrale Anlagen und Verteilnetze andererseits tragen zur Stabilität bei. Sie helfen zudem, das Stromnetz nach einem Blackout wieder geregelt hochzufahren, wie eine Studie im Jahr 2023 ergab. (Nature Energy, 2024; doi: 10.1038/s41560-024-01657-w)
Quelle: Nature Energy, Trinity College Dublin