Mehr Schaden als Nutzen: Eigentlich sollte das beim Ölunfall der Deepwater Horizon ausgesprühte Lösungsmittel den Ölabbau im Ozean beschleunigen. Doch es passiert das Gegenteil: Statt die Selbstreinigung des Meeres zu fördern, unterdrückt dieses Lösungsmittel die ölfressenden Bakterien im Wasser, wie Forscher nun in Experimenten belegen. Die Millionen Liter Chemie haben damit nicht nur Korallen und Algen vergiftet, sie haben auch beim Kampf gegen das Öl mehr geschadet als genutzt.
Als vor rund fünf Jahren ein Blowout das Bohrloch der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko sprengte, strömten mehr als 750 Millionen Liter Öl und hunderttausende Tonnen Methangas ins Meer. Die Ölpest gilt als eine der größten Umweltkatastrophen der Neuzeit – und wirkt bis heute nach. Denn noch immer sind Strände mit Ölresten und Teerklumpen verunreinigt und drei Viertel des Erdöls sind wahrscheinlich noch immer im Wasser des Golfs verteilt.
Eigentlich sollte der Einsatz eines Lösungsmittels genau dies verhindern. Denn sieben Millionen Liter der per Flugzeug versprühten Chemikalie sollten größere Ölflecke in Tröpfchen zersetzen und sie so leichter für Bakterien abbaubar machen. Tatsächlich stieg zumindest die Menge der methanfressenden Bakterien nach dem Ölunfall zunächst an, dann jedoch brachen die Populationen zusammen – und damit war Schluss mit der Selbstreinigung des Meeres.
Lösungsmittel mit unbekannten Folgen
Sara Kleindienst von der University of Georgia in Athens und ihre Kollegen haben nun untersucht, welche Rolle die chemischen Lösungsmittel für dieses Versagen der natürlichen Selbstreinigung im Golf von Mexiko gespielt haben könnte. „Überraschenderweise ist bis heute wenig darüber bekannt, wie diese Lösungsmittel die Aktivität und Menge der ölabbauenden Mikroben beeinflussen“, erklären die Forscher. Klar ist bisher nur, dass diese Chemikalien für viele Meerestiere sogar giftig sind.
Um der Sache nachzugehen, bauten die Forscher im Labor verschiedene Varianten des Deepwater-Szenarios nach. Dafür nahmen sie zunächst Wasserproben vom Grund des Golfs von Mexiko in der Nähe von einigen natürlichen Kohlenwasserstoffquellen. Diese füllten sie in Laborbecken und gaben nun entweder nur Erdöl, nur das Lösungsmittel Corexit oder beides hinzu. Anhand von mikroskopischen Untersuchungen, chemischen Analysen und der Bestimmung der Bakterien anhand ihrer DNA beobachteten die Forscher dann, wie sich der Ölabbau und die Mikroben entwickelten.
Ölfresser unterdrückt
Das überraschende Ergebnis: Von einem positiven Effekt der Lösungsmittel auf ölabbauende Mikroben gab es keine Spur – im Gegenteil. Am besten gediehen ölabbauende Bakterien in dem Becken, in dem nur Golfwasser und Erdöl waren. Dort nahm vor allem die Art Marinobacter innerhalb von vier Wochen um 42 Prozent an Häufigkeit zu, wie die Forscher berichten.
Von diesen Mikroben ist bekannt, dass sie eine große Palette der in Erdöl vorkommenden Kohlenwasserstoffe und ihre Abbauprodukte zersetzen. „Sie sind unter natürlichen Bedingungen wahrscheinlich die dominanten Ölfresser“, so Kleindienst und ihre Kollegen. „Doch ihre Menge nahm bei Anwesenheit des Lösungsmittels deutlich ab.“ Stattdessen machte sich eine andere Bakterienart breit: Colwellia, eine Mikrobe, die sich offenbar vornehmlich vom Lösungsmittel ernährt, aber nicht zum Ölabbau beiträgt.
Schaden statt Nutzen
Damit wirkt das vermeintliche hilfreiche Lösungsmittel sogar eher kontraproduktiv: Statt den Ölabbau nach einer Ölpest zu fördern, hemmt es ihn sogar. Denn es unterdrückt die Vermehrung von ölfressenden Mikroben im Meerwasser und stört damit die Selbstreinigungskraft des Wassers, wie die Forscher berichten. Bei ihren Versuchen sank die Oxidationsrate von Kohlenwasserstoffen und die mikrobielle Zersetzungs-Aktivität deutlich.
Diese Ergebnisse könnten erklären, warum bis heute an den Stränden der Golfregion Klumpen von Lösungsmitteln und Teer angespült werden. Und warum ein Großteil des bei der Deepwater Horizons ausgeflossenen Öls bis heute offenbar nicht abgebaut ist. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1507380112)
(PNAS, 10.11.2015 – NPO)