Good Vibrations: Ein verblüffend simples Hilfsmittel könnte die Wasserstoff-Gewinnung effizienter machen. Denn wenn man die Elektrolyse hochfrequenten Schallwellen aussetzt, steigern die Vibrationen die Wasserstoffausbeute um das 14-Fache, wie ein Experiment nun belegt. Der Grund: Zum einen verhindert die akustische Beschallung die Ansammlung störender Gasblasen an den Elektroden. Zum anderen werden H2O-Moleküle aus ihrem Verbund herausgeschüttelt, was die Wasserspaltung erleichtert.
„Grüner“ Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein der Energiewende und als klimafreundlicher Energieträger. Für seine Gewinnung werden Wassermoleküle in Elektrolyse-Anlagen in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Die dafür nötige Energie kann Sonnen- und Windstrom liefern oder auch das Sonnenlicht direkt. Um die Effizienz dieser Elektrolyseure zu erhöhen, bestehen ihre Elektroden meist aus teuren Platinmetallen, außerdem wird eine stark saure oder alkalische Elektrolytlösung verwendet – was zu schneller Korrosion der Anlagen führt.
Elektrochemie mit Vibrationen
Doch es geht auch anders, wie nun Yemima Ehrnst von der RMIT University in Melbourne und ihre Kollegen demonstrieren. Sie hatten für ihre Studie nach Möglichkeiten gesucht, um die Wasserspaltung auch mit neutralen Elektrolyten und weniger teuren Elektrodenmaterialien effizienter zu machen. Typischerweise ist die Wasserstoffausbeute bei solchen Systemen um mehrere Größenordnungen geringer, unter anderem, weil sich das entstehende Gas an den Elektroden sammelt und die weitere Reaktion behindert.
Um Abhilfe zu schaffen, testeten die Wissenschaftler was passiert, wenn man ein solches Elektrolysesystem mit hochfrequenten Schallwellen in Vibrationen versetzt. Dafür konstruierten sie eine elektrochemische Reaktionszelle, deren Basis das piezoelektrische Material Lithiumniobat (LiNbO3) bildete. Dieses lässt sich in elektromechanische Schwingungen im Megahertzbereich versetzen und erzeugt so hochfrequente Schall- und Oberflächenwellen im flüssigen Medium der elektrochemischen Zelle. Den neutralen Elektrolyt bildete Natriumphosphat.
14-mal höhere Wasserstoff-Ausbeute
Es zeigte sich: Durch die schnellen akustischen Vibrationen erhöhte sich die Wasserstoff-Ausbeute dieses Elektrolyse-Systems um das bis zu 14-Fache. Einer der Gründe dafür ist die Unterdrückung von Gasblasen an den Elektroden: Die Vibrationen beseitigten die entstehenden Gasbläschen und verhinderten so ihre Ansammlung an den Elektroden. „Dies ist ein wichtiger Vorteil für die Leitfähigkeit und Stabilität der Elektroden“, erklärt Ehrnsts Kollege Leslie Yeo.
Doch das allein erklärte die höhere Ausbeute noch nicht. Nähere Analysen ergaben, dass die hochfrequenten Schallwellen auch auf die Struktur und Bindung der Wassermoleküle wirkten: Die Wasserstoffbrücken zwischen den H2O-Molekülen wurden durch die Vibrationen durchtrennt oder gelockert. Dadurch entstanden „freie“ Wassermoleküle, die sich leichter ionisieren und dann elektrochemisch spalten lassen.
„Die Schallwellen machen es sehr viel leichter, Wasserstoff aus dem Wasser zu extrahieren“, sagt Ehrnsts Kollege Amgad Rezk. „Dadurch entfällt die Notwendigkeit korrosiver Elektrolyte und teurer Elektroden aus Platin oder Iridium.“
Günstigerer Weg zu grünem Wasserstoff
Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnet diese Technologie neue Möglichkeiten, die Elektrolyse und Wasserstofferzeugung effizienter und günstiger zu machen. Denn mit der akustischen Anregung könnte die elektrochemische Wasserspaltung auch ohne korrosive Elektrolyte und Platinelektroden auskommen. „Unser Ansatz ist ein praktisch anwendbarer und kostengünstiger Weg, um grünen Wasserstoff auch mit billigen, breit verfügbaren und als wenig effektiv geltenden Elektroden zu erzeugen“, schreiben Ehrnst und ihre Kollegen.
Das Team arbeitet bereits daran, ihr Vibrationsmodul zu optimieren und es in gängige Elektrolysesysteme zu integrieren. „Wir erwarten, dass sich die Ausbeute mit höheren Stromdichten sogar noch weiter verbessern lässt“, so die Forschenden. Ein Patent für Australien haben sie für ihr System bereits eingereicht. (Advanced Energy Materials, 2022; doi: 10.1002/aenm.202203164)
Quelle: RMIT University