Sonne zu Brennstoff: Forschende haben ultradünne, schwimmende Solarfabriken entwickelt, die mithilfe des Sonnenlichts brennbaren Wasserstoff oder Syngas produzieren. Nötig sind dafür nur Wasser und Kohlendioxid, die nach dem Vorbild der Photosynthese elektrochemisch umgewandelt werden. Die günstigen, ohne zusätzliche Stromversorgung arbeitenden „künstlichen Blätter“ könnten künftig auf Seen, Kanälen oder dem Meer schwimmend arbeiten und dabei CO2 schlucken und Wasserstoff produzieren, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Die Natur macht es vor: In der Photosynthese benötigen Pflanzen nur CO2, Wasser und Licht, um energiereiche Substanzen herzustellen. Möglich wird dies durch spezielle Enzyme, die als Photokatalysatoren mithilfe der Solarenergie elektrochemische Reaktionen anstoßen. Inzwischen existieren bereits erste „künstliche Blätter„, die dieses Prinzip nachahmen und mithilfe der photokalytischen Wasserspaltung Wasserstoff, Synthesegas und andere nicht-fossile Kraftstoffe erzeugen können.
Künstliches Blatt in der Ultraleicht-Version
Einen Schritt weiter geht nun ein „künstliches Blatt“, das Virgil Andrei von der University of Cambridge und seine Kollegen entwickelt haben. Aufbauend auf einer früheren Version haben sie ihre photoelektrochemische „Fabrik“ so angepasst, dass sie auf einen ultraleichten Dünnfilm passt. Ihre Module wiegen dadurch nur rund 30 bis 100 Milligramm pro Quadratzentimeter. Ein flexibles Trägermaterial und eine spezielle Deckschicht machen die „Solar-to-Fuel“-Reaktoren im Minimaßstab zudem schwimmfähig.
„Künstliche Blätter sind bisher meist schwer und zerbrechlich und daher schwer zu transportieren und zu skalieren“, erklärt Andrei. „Wir wollten daher sehen, wie weit wir diese Technologie verkleinern können, ohne ihre Leistung zu verringern. Denn wenn sie leicht genug wird, um zu schwimmen, dann eröffnet das ganz neue Einsatzmöglichkeiten für solche Module.“ Die dünnen, flexiblen Miniaturreaktoren könnten dann als schwimmende Wasserstoff- oder Syngas-Fabriken auf Seen, in Häfen oder sogar auf dem Meer eingesetzt werden.
Mit Photoelektroden und Katalysatoren zum solaren Wasserstoff
Einen ersten Prototyp dieser schwimmenden Brennstoff-Produzenten haben die Forschenden jetzt konstruiert und getestet. Die Module bestehen aus einer Polymer-Unterlage, auf der zwei lichtabsorbierende Photoelektroden aus Perowskit und dem Wismut-Vanadium-Oxid (BiVO4) mit organischen Halbleitern kombiniert wurden. Dieser Aufbau wird durch Katalysatoren und eine Schicht Kohlenstoffnanoröhrchen ergänzt.
Daraus entsteht ein flaches, flexibles Modul, das das Sonnenlicht als Energiequelle für eine elektrochemische Reaktion nutzt. Diese spaltet Wasser und CO2 und produziert dabei je nach Katalysator vorwiegend Wasserstoff oder aber ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff – Syngas. Die ersten, auf einem kleinen Fluss in Cambridge getesteten Module erzeugten pro Gramm und Stunde rund 70,2 Mikromol Wasserstoff oder bei der Syngas-Variante 4,88 Mikromol Kohlenmonoxid und 2,11 Mikromol Wasserstoff.
„Diese Werte entsprechen einer Solar-to-Fuel-Effizienz von 0,58 Prozent für Wasserstoff und 0,053 Prozent für Syngas“, berichten Andrei und seine Kollegen. Die autarken Module seien damit ähnlich effizient wie ein echtes Pflanzenblatt.
Schwimmende Wasserstoff- oder Syngas-Fabriken
Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnen solche ultraleichten, schwimmfähigen Solar-to-Fuel-Module neue Chancen, das Sonnenlicht zur Erzeugung „grünen“ Wasserstoffs und anderer sauberer Brennstoffe zu nutzen. „Diese schwimmenden Blätter vereinen die Vorteile verschiedener Solartechnologien in sich, denn sie sind leicht wie organische Solarzellen aus Pulversuspensionen und leistungsfähig wie verkabelte Hochleistungsmodule“, sagt Andrei. Anders als letztere arbeiten die schwimmenden Wasserstoff-Reaktoren aber ohne Kabel und weitgehend autonom.
Noch müssen die neuartigen Module weiter optimiert werden. Das Team ist aber zuversichtlich, dass sich solche künstlichen Blätter bald auch in großem Maßstab herstellen und einsetzen lassen. „Unsere Studie demonstriert, dass sie mit modernen Produktionstechniken kompatibel sind und damit eine künftige Automatisierung der Herstellung ermöglichen“, so Andrei. Solche schwimmenden Wasserstoff-Fabriken könnten damit künftig auch in großem Stil auf freien Wasserflächen wie Seen, Kanälen, in Häfen oder vor Meeresküsten eingesetzt werden.
„Solarparks für die Stromproduktion sind bereits verbreitet. Wir stellen uns ähnliche Parks für die Brennstoff-Synthese vor“, erklärt Andrei. „Sie könnten dann Küstenstädte oder Inseln mit Wasserstoff oder Syngas versorgen, aber auch verschmutzte Industrieteiche abdecken oder die Wasserverdunstung aus Bewässerungskanälen verringern.“ (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04978-6)
Quelle: Nature, University of Cambridge