Hoch hinaus: In den Offshore-Windparks der Nordsee könnten moderne große Windräder etwas weniger störende Nebenwirkungen haben als kleinere Anlagen, wie Computermodelle ergeben haben. Demnach beeinflussen die höher und weiter voneinander entfernt stehenden Windräder die Meeresoberfläche und benachbarte Windparks weniger. Doch wie stark verändert die höhere Bauweise der Windturbinen die Luft- und Meeresströmungen wirklich?
Im Zuge der Energiewende baut die Europäische Union Offshore-Windparks auf der Nordsee massiv aus. Dabei werden die Windräder zur Stromerzeugung immer höher und leistungsstärker. Innerhalb der letzten 20 Jahre stieg ihre Leistung bereits von zwei Megawatt auf rund 15 Megawatt. Durch weitere Fortschritte in der Bautechnik sollen es in wenigen Jahren sogar 20 Megawatt pro Windrad sein.
Derzeit stehen in den europäischen Gewässern Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 28 Gigawatt (28.000 Megawatt). Bis zum Jahr 2030 sollen es den EU-Plänen zufolge 60 Gigawatt sein und bis 2050 sogar 300 Gigawatt.
Die Schattenseiten der Offshore-Windparks
Doch mehr Windräder bergen auch ungewünschte Nebenwirkungen: Weil durch die Drehbewegung der Rotoren Luft verwirbelt wird, treten hinter einem Windpark Turbulenzen auf. Außerdem ist dort die Windgeschwindigkeit geringer. Für einen Windpark, der hinter einem anderen liegt, bedeutet das eine geringere Stromausbeute. Die verschiedenen Anlagen können sich daher gegenseitig ausbremsen.
Zudem beeinflussen Windenergieanlagen das Leben im Meer. So verändert sich beispielsweise das Vorkommen und Verhalten von Schweinswalen und anderen Meeresbewohnern. Außerdem ist das Wachstum von Planktonalgen hinter einem Windpark um bis zu zehn Prozent reduziert, wie frühere Studien zeigen. Ursache sind die veränderten Luftbewegungen hinter den Windanlagen, die auch die Wasserbewegungen an der Meeresoberfläche durcheinanderbringen.
Sind höhere Windräder schonender?
Wie sich diese Effekte beim künftigen Ausbau der Offshore-Windenergie vermeiden lassen, hat nun ein Forschungsteam um Naveed Akthar vom Helmholtz-Zentrum Hereon untersucht. Die Klimaforscher analysierten dafür mithilfe von Computersimulationen, wie sich Windparks mit großen 15-Megawatt-Turbinen auf ihre Umgebung auswirken – sowohl auf die Meeresoberfläche als auch auf benachbarte Windparks. Die Masten dieser Anlagen sind 150 Meter hoch, ihr Rotordurchmesser beträgt 240 Meter.
Die Effekte dieser Windanlagen verglichen Akthar und seine Kollegen mit denen bestehender Windparks, die nur die deutlich kleineren 5-Megawatt-Anlagen enthalten. Deren Masten sind 90 Meter hoch und ihr Rotordurchmesser beträgt nur 126 Meter. Allerdings stehen diese Windräder dichter beieinander als Großanlagen. Denn nach den Regeln in der EU darf auf einem Quadratkilometer Meeresgebiet nur begrenzt viel Strom aus Wind generiert werden. Diese Begrenzung haben die Klimaforscher in ihren Berechnungen berücksichtigt und nur Felder mit je neun Gigawatt pro Quadratkilometer verglichen.
Die Modellsimulationen des Teams umfassten die gesamte Nordsee. „Windparks haben eine Fernwirkung, die 60 bis 70 Kilometer weit reichen kann. Um all das zu erfassen, muss man das gesamte Gebiet der Nordsee im Blick haben“, erklärt Akhtar.
Positive Effekte in den Windparks der Zukunft
Die Simulationen zeigten: Die Windfelder an der Wasseroberfläche verändern sich bei einem Windpark mit 15-Megawatt-Anlagen weniger stark als bei 5-Megawatt-Anlagen. Weil die großen Turbinen weniger dicht zusammenstehen und höher sind, kommt ihr Rotor der Meeresoberfläche nicht so nah wie bei kleinen Anlagen. Windparks mit wenigen hohen Windturbinen stören die Luftströmung daher weniger als viele kleine, wie das Team ermittelte. Ihre Bremswirkung und die Turbulenzen fallen etwas geringer aus.
Die für die Zukunft geplanten Windparks bergen wegen ihrer Bauweise und Bauvorschriften daher bereits Eigenschaften, die die bisher beobachteten Störeffekte verringern. Die höheren Windräder beeinflussen die umliegenden Meereslebensräume und benachbarten Windparks weniger als kleinere Windturbinen.
Gute Aussichten für die Nordsee?
„Was die Meeresumwelt angeht, sind das gute Nachrichten für den Ausbau der Offshore-Windenergie in den europäischen Gewässern“, sagt Akhtar. Und auch für die Stromerzeuger sind die größeren Anlagen von Vorteil. „Alles in allem kann sich damit die Stromausbeute in den Windparks um zwei bis drei Prozent erhöhen“, so Akhtar. Allerdings werden die verschiedenen Störeffekte durch den Wechsel auf 15-Megawatt-Windräder jeweils nur um etwa ein Prozent verringert, wie die Modellrechnungen ergaben.
Da die Computermodelle verschiedene Annahmen enthalten, könnte die Realität auch etwas davon abweichen. Wie vorteilhaft der Bau größerer Windräder wirklich ist, wird sich daher erst mit reellen Messwerten aus künftigen Windparks zeigen. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-56731-w)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Hereon