Strom aus Beton: US-Forscher haben einen neuartigen Stromspeicher entwickelt, für den nur Zement, Ruß und Wasser nötig sind. Der Superkondensator aus Zement erreicht Energiedichten von bis zu 220 Wattstunden pro Kubikmeter und bleibt trotzdem stabil. Er könnte dadurch Hausfundamente, Straßen oder auch Stützgerüste von Windturbinen zu Stromspeichern machen. Möglich wird dies, weil der in den Zement gemischte Ruß verästelte Leiterbahnen bildet, die das Steinmaterial zu einem Superkondensator machen.
Mit der Energiewende wächst der Bedarf an effizienten, leistungsstarken und günstigen Stromspeichern. Neben den klassischen Batterien gewinnen dabei die Superkondensatoren immer mehr an Bedeutung. Sie haben zwar weniger Speicherkapazität als ein Akku, können aber hohe Stromstärken in kurzer Zeit liefern. Sie können zudem fast unendlich oft geladen und entladen werden. Denn in Superkondensatoren findet anders als in Batterien nur eine Ladungsverschiebung statt, keine elektrochemische Reaktion – das macht sie robuster.
Wissenschaftler experimentieren daher schon länger mit Superkondensatoren, die in gängige Alltagsobjekte oder Materialien integriert sind. Erste Prototypen gibt es bereits für stromspeichernde Ziegelsteine, textile Displays und auch als Beschichtung von Fußböden oder Wänden. Diese lieferten allerdings nur eine begrenzte Leistung.
Ruß und Wasser manchen Zement zum Kondensator
Jetzt haben Forscher um Nicolas Chanut vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen Superkondensator entwickelt, der leistungsstark ist und aus fast allgegenwärtigen Rohstoffen besteht: Zement, Ruß und Wasser. „Das Material ist faszinierend, weil es das meistgenutzte menschengemachte Material, Zement, mit einem wohlbekannten historischen Material, dem Ruß, verbindet“, sagt Chanuts Kollege Admir Masic. Damit sind die Rohstoffe günstig und reichlich vorhanden.
Der neuartige Superkondensator entsteht, wenn man eine kleine Menge Ruß in den Zement mischt und das Ganze mit Wasser anrührt und härten lässt, wie das Team erklärt. Dann bahnt das Wasser dem Ruß den Weg, indem es den Zement in feinen verästelten Bahnen durchzieht. Beim Aushärten reagieren das Calciumoxid und andere Oxide im Zement mit dem Wasser und werden hydratisiert. Dadurch kann der Ruß sich in den freiwerdenden Kanälchen ablagern und ein leitfähiges Netzwerk bilden.
Werden nun zwei Platten dieses Zements mit einem gängigen wässrigen Elektrolyten wie Kaliumchlorid getränkt und durch eine dünne Membran getrennt, entsteht ein Superkondensator.
Speicherkapazität bis zu 220 Wattstunden pro Kubikmeter
Wie die Forschenden berichten, reicht schon die Beimischung von drei Prozent Ruß, um Zement zum Stromspeicher zu machen. Bei höheren Rußanteilen steigt die Speicherkapazität, dafür sinkt jedoch die Stabilität des Materials. Tests ergaben, dass der optimale Kompromiss für Zement-Stromspeicher in tragenden Bauteilen – einem Hausfundament, einer Wand oder dem Betonsockel einer Windturbine – bei rund zehn Prozent Rußbeimischung liegt.
Wie groß die Speicherkapazität dieses Zement-Superkondensators ist, haben Chanut und sein Team zunächst mit kleinen Prototypen von der Größe einer Knopfzelle getestet. Dieses einen Zentimeter breite und einen Millimeter dicke Steinchen konnte mit einem Volt aufgeladen werden und den Strom an entsprechende LEDs abgeben. Die Speicherkapazität beziffern die Wissenschaftler je nach Rußgehalt auf 20 bis 220 Wattstunden pro Kubikmeter.
Genug Strom für ein ganzes Haus
Ein entscheidender Vorteil dabei: Das System ist nahezu beliebig skalierbar. „Man kann von nur einen Millimeter dicken Elektroden bis auf einen Meter Dicke gehen und damit die Energiespeicherkapazität vom Strom für eine LED bis auf den Strombedarf eines ganzen Hauses hochskalieren“, erklärt Seniorautor Franz-Josef Ulm vom MIT. Ihren Berechnungen zufolge würde beispielsweise ein Gebäudefundament mit rund 45 Kubikmetern dieses Zement-Superkondensators ausreichen, um zehn Kilowattstunden an Strom zu speichern und zu liefern – etwa den Tagesbedarf eines Haushalts.
Anwendungen für den Zement-Stromspeicher gäbe es reichlich, denn er könnte nahezu überall integriert werden, wo Beton verbaut wird. Im Fundament oder den Wänden von Gebäuden könnte das Material den von Wind- oder Solaranlagen erzeugten Strom speichern und bei Bedarf abgeben – auch unabhängig vom Stromnetz. Im Sockel von Windanlagen verbaut könnte der Zement-Superkondensator überschüssigen Windstrom direkt aufnehmen und so als Puffer im Stromnetz dienen.
Nutzbar auch für induktiv ladende Straßen
Und sogar in der Elektromobilität könnte der Zement-Stromspeicher nützlich sein: Wenn man eine besonders rußhaltige und damit leistungsstarke Mischung in Straßen verbaut, könnten diese als Stromlieferanten für Elektroautos dienen. Technologien für das induktive, berührungsfreie Laden gibt es bereits, in Nordbayern wird sogar bereits ein Stück Autobahn zur Teststrecke dafür umgebaut, 2025 soll sie fertig sein.
„Es gibt einen enormen Bedarf an Energiespeichern, die existierenden Batterien sind aber zu teuer und benötigen knappe Rohstoffe wie Lithium“, sagt Ulm. „Daher brauchen wir günstigere Alternativen. Unsere Technologie ist so vielversprechend, weil Zement allgegenwärtig ist.“ Der neuartige Superkondensator ebne den Weg in eine Zukunft, in der Beton zum Teil der Energiewende werde. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2304318120)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology