Pause gegen den Strommangel: Angesichts der drohenden Energieknappheit haben auch die Teilchenphysiker am Forschungszentrum CERN ein Sparprogramm aufgelegt. So werden der weltgrößte Teilchenbeschleuniger, der Large Hadron Collider (LHC), und weitere Anlagen in diesem Jahr zwei Wochen früher als sonst in die Winterpause gehen. Im Jahr 2023 soll die Laufzeit der Beschleuniger zudem um 20 Prozent verkürzt werden, um Strom einzusparen, wie das CERN mitteilt.
Der Large Hadron Collider (LHC) ist der größte und leistungsstarke Teilchenbeschleuniger der Welt. In seine 127-Kilometerring werden Protonen und schwere Atomkerne fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und kollidieren mit der enormen Energie von 13,4 Teraelektronenvolt. Entsprechend viel Strom benötigen die Anlagen und Detektoren: Im Jahr verbraucht das CERN rund 1,25 Terawattstunden an Energie – dies entspricht dem Bedarf von rund 300.000 Wohnhäusern.
Seinen Strom bezieht das Forschungszentrum über zwei 400-Kilovolt-Hochspannungsleitungen aus dem französischen Stromnetz, außerdem gibt es eine Notfallleitung von 130 Kilovolt aus dem schweizerischen Netz. Der größte Teil dieser Energie wird für die Kühlung der supraleitenden Magnete benötigt, die die Teilchen in den Beschleunigerringen auf Kurs halten und auf Tempo bringen.
Winterpause gegen Strommangel
Insgesamt ist der LHC mit seinen Detektoren, Beschleunigern und Vorbeschleunigern für 90 Prozent des Stromverbrauchs am CERN verantwortlich. Geringere Anteile haben die restlichen Experimente, die Gebäude und das Rechenzentrum des CERN. In den letzten Jahren wurde die Energieeffizienz des LHC-Beschleunigers und vieler seiner Komponenten bereits um rund das Zehnfache erhöht, wie das CERN berichtet. Weil aber mit jeder Laufzeit höhere Leistungen, mehr Kollisionen und präzisere Detektoren erreicht wurden, ist der absolute Stromverbrach trotzdem gestiegen.
Schon vor der aktuellen Energiekrise wurde der LHC jedoch nicht das ganze Jahr hindurch betrieben: Im Winter, wenn der Strombedarf für Heizung und Licht in der Region besonders hoch ist, pausieren die Beschleuniger am CERN. Der Stromverbrauch des Forschungszentrums sinkt dann von rund 200 Megawatt auf 80 Megawatt. Dies soll verhindern, dass ein lokaler Strommangel auftritt. Ebenfalls dem Energiesparen dient die Wiedergewinnung von Abwärme aus den Kühlsystemen für die Magnete und anderen Anlagen. Mit dieser Wärme werden schon jetzt Gebäude des CERN und Häuser im nahegelegenen Ort beheizt.
Verkürzte Laufzeit, weniger Heizung
Jetzt verschärft das CERN das Sparprogramm, um die drohende Stromknappheit in diesem Winter nicht noch zu verstärken. Dafür wird die Winterpause des Beschleunigerkomplexes schon am 28. November beginnen – zwei Wochen früher als sonst. Außerdem wird auch die Laufzeit im Jahr 2023 um 20 Prozent verkürzt, wie das Forschungszentrum mitteilt. Mit dem französischen Stromversorger Électricité de France wurden zudem Vereinbarungen über Drosselungen der Versorgung bei Stromknappheit getroffen – dies soll dazu beitragen, das europäische Stromnetz zu stabilisieren.
Darüber hinaus sollen auch zahlreiche weitere Maßnahmen zur Energieeinsparung beitragen. Dazu gehört ein späterer Beginn der Heizperiode in den Gebäuden des CERN, eine niedrigere Heiztemperatur und ein Abschalten der nächtlichen Beleuchtung. Das 2023 fertiggestellte neue Rechenzentrum des Forschungszentrums ist bereits darauf optimiert, besonders energiesparend zu arbeiten. Die Abwärme der Hochleistungsrechner wird dabei für die Heizung der Labor- und Bürogebäude genutzt. Ob all dies ausreicht, um in diesem Winter größere Blackouts zu vermeiden, wird sich zeigen.
Quelle: CERN