Gas oder Elektro? Forschende haben für 25 Länder untersucht, welche Energiequelle beim Kochen und Heizen klimafreundlicher ist – und ab welchem Anteil erneuerbarer Energien der „grüne“ Strom die Nase vorn hat. Das Ergebnis: In Deutschland und elf weiteren Ländern haben Gasherd und Gasbrenner nur noch knapp die bessere Klimabilanz. In acht Ländern, darunter China und Indien, wird Erdgas dagegen wegen des hohen Anteils an Kohlestrom noch längere Zeit die klimafreundlichere Alternative bleiben.
Erdgas gilt oft als Brückentechnologie, weil es beim Verbrennen weniger klimaschädliche Emissionen verursacht als Kohle oder Erdöl. Auch wenn in Europa der Gasnachschub zurzeit knapp ist und Gas daher an Bedeutung verloren hat, gilt dies für viele andere Regionen weltweit immer noch.
Ob Erdgas wirklich eine klimafreundliche Alternative zum Kochen oder Heizen mit Strom ist, hängt jedoch von den Begleitumständen ab: Wird über Lecks im Gasnetz und unvollständige Verbrennung viel Methan in die Atmosphäre freigesetzt, torpediert dies den Klimavorteil des Erdgases. Beim Strom spielt dagegen der Energiemix eine Rolle: Stammt der Strom primär aus Kohlekraftwerken, hat das elektrische Kochen und Heizen die schlechtere Klimabilanz. Bei einem hohen Anteil „grünen“ Stroms aus erneuerbaren Energien ist dies umgekehrt.
Vergleich für 25 Länder
Welche Energieform beim Kochen und Heizen klimafreundlicher ist, haben nun Florian Dietrich von der Technischen Universität München und seine Kollegen für 25 Länder untersucht. Für ihre Vergleichsstudie wählten sie 25 Länder aus, die zu den größten Gasverbrauchern weltweit gehören und bei denen erneuerbare Energien schon mindestens zehn Prozent zum Strommix beitragen. „Denn wir wollten primär untersuchen, wie und ab wann ein zunehmender Anteil an erneuerbaren Energien die Nutzung von Strom klimafreundlicher macht als Erdgas“, erklärt das Team.
Dadurch fielen viele Länder des Nahen und Mittleren Ostens raus, weil dort noch so gut wie kein „grüner“ Strom ins Netz eingespeist wird. 25 Länder blieben übrig, darunter auch Deutschland. „Diese 25 Länder sind zusammen für 75 Prozent des weltweiten Erdgasverbrauchs verantwortlich“, berichten Dietrich und seine Kollegen. Sie nutzten länderspezifischen Daten zum Strommix, zum Methanverlust durch Leckagen und zu den Emissionen, um für jedes Land einen umfassenden Emissionsfaktor für Erdgas oder Strom beim Endverbrauch durch Kochen und Heizen zu ermitteln. Die Spanne der Gasleckagen reichte dabei von 0,2 bis über fünf Prozent des Verbrauchs.
Bei fünf Ländern hat Strom schon die Nase vorn
Das Ergebnis: Bezieht man die Leckagen im Gasnetz und an den Gasbrennern mit ein, fallen die Vorteile der Brückentechnologie Erdgas gegenüber Strom kleiner aus als landläufig gedacht. „Durch die Einbeziehung der Leckagen und unvollständigen Verbrennungen wird insgesamt ein geringerer Anteil an erneuerbaren Energiequellen im Strommix benötigt als bisher angenommen“, sagt Koautorin Jia Chen von der TU München.
Bei fünf Ländern hat Strom schon jetzt die Nase vorn, wie das Team ermittelte. Dort lag der Emissionsfaktor der Elektrizität im Jahr 2019 schon unter dem des Erdgases. Dies gilt beispielsweise für Kanada und Brasilien, weil dort die Wasserkraft und andere erneuerbaren Energien einen hohen Anteil am Strommix haben. Bei Frankreich und Belgien sorgt dagegen der Atomstrom für eine bessere Klimabilanz des elektrischen Kochens und Heizens.
Deutschland nähert sich dem Umkehrpunkt
Deutschland gehört dagegen zu einer zweiten Gruppe von zwölf Ländern, in denen sich die Klimabilanzen von Gas und Strom zumindest stark angenähert haben. „Dies liegt teilweise an einer Zunahme erneuerbarer Energien im Strommix wie bei Großbritannien oder Deutschland oder am Übergang von Kohlestrom zu Strom aus Erdgas wie in den USA“, erklären die Forschenden. Beides hat den Emissionsfaktor der Elektrizität verbessert, wenn auch nicht in gleichem Maße.
Hierzulande müsste der Anteil von Strom aus Sonne und Wind noch um rund zehn bis 15 Prozent steigen, um das Kochen und Heizen mit Strom klimafreundlicher zu machen als mit Gas. Allerdings könnte die verfügbare Strommenge einen – auch finanziellen – Hemmschuh darstellen. In Italien, den USA, Russland, der Türkei oder den Niederlanden gibt es momentan ebenfalls noch keinen klaren Vorteil für die Endnutzung von Strom statt Gas. Dies würde sich aber ändern, sobald der Anteil „grünen“ Stroms steigt.
In China und Indien ist Erdgas klimafreundlicher
Bei den restlichen acht Ländern, darunter Indien, China, Polen oder Australien, ist Erdgas dagegen klar die klimafreundlichere Energiequelle für das Kochen und Heizen. Denn dort wird Elektrizität noch zu einem hohen Anteil aus Kohle gewonnen. Dadurch ist Strom dort selbst dann noch „schmutziger“ als Erdgas, wenn man Leckagen im Gasnetz mit einbezieht, wie Dietrich und sein Team ermittelten.
„Für die Länder in dieser dritten Gruppe könnte die Erdgasnutzung selbst in fernerer Zukunft noch klimafreundlicher bleiben als die Nutzung von Strom“, so die Wissenschaftler. „Diese Länder könnten große Mengen an CO2-Emissionen einsparen, wenn sie Erdgas statt Kohle als Energiequelle für Endverbraucher nutzen würden.“ (Earth’s Future, 2023; doi: 10.1029/2022EF002877)
Quelle: Technische Universität München