Begrenzte Nische: Elektrische Flugtaxis könnten den Verkehr umweltfreundlicher machen – aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen, wie nun eine Vergleichsstudie enthüllt. Denn bei Energiebedarf und CO2-Emissionen schneiden die Elektroflieger nur bei Strecken von mindestens 35 Kilometern besser ab als normale Autos. Tragen die Lufttaxis aber mindestens drei Passagiere, könnten sie auf Strecken von 100 Kilometern sogar nachhaltiger sein als Elektroautos.
Sie gelten als der Verkehrstrend der Zukunft: Elektrisch betriebene Flugtaxis und bemannte Drohnen könnten bald den Verkehr in unseren Städten entlasten. Schon jetzt haben Unternehmen Prototypen von Multicoptern oder Senkrechtstartern entwickelt, die als Lufttaxis beispielsweise Passagiere von Flughäfen in die Innenstädte transportieren sollen. Der große Vorteil: Solche Lufttaxis erzeugen keine Staus und verringern die Schadstoffbelastung der Stadtluft.
Senkrechtstarter als Shuttles und Lufttaxis
Aber wie umweltfreundlich sind solche Flugtaxis wirklich? Genau dies haben nun Akshat Kasliwal von der University of Michigan und seine Kollegen untersucht. Für ihre Studie verglichen sie die Energie- und Kohlendioxid-Bilanz eines typischen Senkrechtstarter-Flugtaxis mit Elektroautos und klassischen Automobilen. Senkrechtstarter besitzen drehbare Rotoren, durch die sie wie ein Helikopter starten und landen können. Im Reiseflug jedoch fliegen sie wie ein Flugzeug mit Flügeln – und sind daher effizienter als reine Multicopter.
„Mehrere Unternehmen entwickeln bereits solche Fluggeräte für vier bis fünf Passagiere“, erklären die Forscher. Der Flugzeughersteller Boeing hat mit seinem Passenger Air Vehicle (PAV) gerade den Erstflug absolviert. Bereits Anfang 2018 hatte der elektrische Senkrechtstarter Vahana von Airbus seinen Jungfernflug. Beide haben eine Reichweite von 80 bis 100 Kilometern.
Elektrisch betriebene Vehikel wie diese Flugtaxis stoßen zwar während der Fahrt keine Emissionen aus, erzeugen aber beim Laden ihrer Batterien welche, wenn Teile des Stroms aus fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Für ihre Studie gingen die Forscher vom US-amerikanischen Strommix aus, der zu gut 60 Prozent auf Kohle und Erdgas basiert.
Auf die Strecke kommt es an
Der Vergleich ergab: Ob ein elektrisches Flugtaxi nachhaltiger ist als ein Auto oder Elektroauto, hängt stark von der Flugstrecke und der Zahl der mitfliegenden Passagiere ab. Weil der Senkrechtstarter am meisten Energie bei Start und Landung verbraucht, steigt seine Energieeffizienz mit zunehmender Flugstrecke. So erzeugt das Flugtaxi auf Kurzstrecken von fünf Kilometern 0,59 Kilogramm CO2-Äquivalente pro geflogenem Kilometer, bei 100 Kilometern sind es nur noch 0,15.
Aus diesen Werten ergibt sich: „Bei Strecken von bis zu 35 Kilometern schneiden Autos mit Verbrennungsmotoren besser ab als elektrische Flugtaxis“, berichten die Forscher. Doch bei längeren Strecken liegt das Flugtaxi vorn: „Für unsere Basistrecke von 100 Kilometern hat das Flugtaxi 35 Prozent geringere Treibhausgas-Emissionen als das Auto“, so Kasliwal und sein Team.
Allerdings: Mit dem Elektroauto kam keines der beiden Verkehrsmittel mit: Dieses lag bei den Emissionen noch einmal 28 Prozent unter dem Senkrechtstarter.
Ab drei Passagieren liegt das Lufttaxi vorn
Wie aber sieht es aus, wenn man die Passagierzahl mit einbezieht? „Es ist wahrscheinlich, dass die Passagier-Auslastung der elektrischen Senkrechtstarter höher sein wird als die herkömmlicher PKW“, sagen die Forscher. Denn wirtschaftlich lohnend für die Betreiber sind solche Lufttaxis vor allem dann, wenn möglichst viele zahlende Passagiere mitfliegen. Beim Auto gelten dagegen 1,54 Menschen pro Vehikel als Richtwert.
Das Ergebnis beim passagierbezogenen Vergleich für 100 Kilometer Flugstrecke: „Für zwei und mehr Passagiere liegt der elektrische Senkrechtstarter vor dem Auto mit Verbrennungsmotor“, berichten Kasliwal und sein Team. „Mit drei Passagieren liegt das Flugtaxi auch vor dem Elektroauto.“ Konkret liegen in diesem Fall die erzeugten CO2-Emissionen um 52 Prozent unter dem normalen Auto und sechs Prozent unter dem Elektroauto.
Nur eine kleine Nische
„Es war für mich sehr überraschend, dass die Senkrechtstarter in Bezug auf Energie und Treibhausgase durchaus konkurrenzfähig waren – zumindest in bestimmten Szenarien“, sagt Kasliwals Kollege Gregory Keoleian. Demnach wären die elektrischen Lufttaxis beim Einsatz in Innenstädten je nach Energiemix im Stromnetz eher wenig nachhaltig, wohl aber bei Flügen zwischen Stadt und Umland oder zwischen zwei Nachbarstädten.
Nach Ansicht der Forscher könnten demnach Lufttaxis durchaus eine positive Rolle für die Verkehrswende spielen – aber nur in ganz bestimmten Nischen. „Die Strecken, auf denen Lufttaxis nachhaltiger sind als Autos mit Verbrennungsmotor, machen nur einen kleinen Anteil der pro Jahr gefahrenen Fahrzeugkilometer aus“, sagt Koautor Jim Gawron von der University of Michigan. „Daher werden Flugtaxis dieser Art für die nachhaltige Mobilität nur eine begrenzte Rolle spielen.“ (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-09426-0)
Quelle: University of Michigan