Gute Nachrichten für die Windenergie: Seit 2010 sind die mittleren Windgeschwindigkeiten weltweit um sieben Prozent angestiegen – das bedeutet mehr Energie für die Windkraft. Setzt sich dieser Trend fort, könnten allein dadurch bis 2034 zusätzlich 3,3 Millionen Kilowattstunden an Windenergie gewonnen werden, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten. Allerdings: Höchstwahrscheinlich ist dieser Trend nicht von Dauer.
Windenergie gilt als eine der Säulen der künftigen Energieversorgung. Nach Schätzungen einiger Forscher könnten Onshore- und Offshore-Windanlagen in Zukunft sogar genug Strom liefern, um den Bedarf der gesamten Menschheit zu decken. Nutzbares Potenzial gäbe es jedenfalls noch genug – auch in Europa. Allerdings hängt die Ausbeute auch davon ab, wie sich die nutzbaren Winde in Zukunft verändern.
Globales Abflauen seit 1978
In diesem Kontext registrierten Messstationen ab 1978 einen wenig erfreulichen Trend: Weltweit nahm die mittlere Windgeschwindigkeit bis zum Jahr 2010 stetig immer weiter ab – im Schnitt um 2,3 Prozent pro Jahrzehnt. Einige Wissenschaftler führten dieses globale „terrestrische Abflauen“ darauf zurück, dass der Mensch auf den Landflächen immer mehr „Hindernisse“ wie Ballungsräume mit Hochhäusern und andere Bauten errichtet hat. Diese zunehmende „Rauigkeit“ könnte den Wind abbremsen, so die Hypothese.
Ob das stimmt und wie sich der Wind seit 2010 entwickelt hat, haben nun Forscher um Zhenzhong Zeng von der Princeton University näher untersucht. Für ihre Studie werten sie die Wetterdaten von 1.435 Stationen in Europa, Nordamerika und Asien aus der Zeit von 1978 bis 2017 aus.
Seit 2010 geht es wieder aufwärts
Das Ergebnis: Die globale „Flaute“ ist offenbar vorbei. Denn seit 2010 ist die jährliche mittlere Windgeschwindigkeit global um 0,24 Meter pro Sekunde angestiegen, dies entspricht einer Zunahme um fast sieben Prozent, wie die Forscher berichten. „Räumliche Analysen bestätigen zudem, dass dies ein Phänomen globalen Ausmaßes ist: 79 Prozent der Stationen, die zuvor abnehmende Winde registrierten, zeigen seit 2010 positive Trends“, so Zeng und sein Team.
Für die Windenergie-Branche sei dies eine gute und beruhigende Nachricht, sagen die Forscher. Denn dadurch hat sich seit 2010 die Ausbeute an nutzbarem Wind deutlich erhöht. „Die Menge an Energie, die eine hypothetische Windturbine mit dem globalen Mittelwind bekommt, ist um 17 Prozent gestiegen“, erklären Zeng und seine Kollegen. In Europa und Nordamerika hat sich die theoretische Windausbeute dadurch sogar um 22 Prozent erhöht, in Asien um elf Prozent.
Klimazyklen von Atlantik und Pazifik schuld?
Was aber ist die Ursache für diese Zunahme des Windes? Klar scheint: Die Hypothese von der Bebauung der Landflächen als Windbremse ist damit weitgehend widerlegt, denn dann hätte das Abflauen weitergehen müssen. Es muss demnach einen anderen Grund geben. Um diesen zu finden, analysierten die Forscher die Verläufe mehrerer in längeren Zeiträumen schwankenden Klimazyklen wie die Nordatlantische Oszillation (NAO), die Pazifische Dekadische Oszillation (PDO) und den Tropischen Nordatlantik-Index (TNA).
Und tatsächlich stießen Zeng und sein Team auf einen Zusammenhang: In dem Zeitraum, in dem die globalen Winde abflauten, waren Pazifische und Nordatlantische Oszillation in einer negativen Phase, der TNA in einer positiven. In Zeiträumen mit zunehmender Windgeschwindigkeit ist es dagegen umgekehrt. Zudem seien diese Klimazyklen dafür bekannt, regionale Luftströmungen zu beeinflussen, so die Forscher.
Ihrer Ansicht nach spricht dies dafür, dass die Erklärung für die Windtrends in den Jahrzehnte dauernden Schwankungen dieser Klimazyklen liegt. „Den stärksten Einfluss hat dabei der TNA für Nordamerika, die Pazifische Oszillation für Asien und die Nordatlantik-Oszillation für Europa“, berichten die Wissenschaftler.
Steigende Ausbeute für die Windkraft – aber nicht für lange
Was aber bedeutet dies für die Zukunft? „Wir schätzen, dass das Auffrischen des weltweiten Windes noch rund zehn Jahre anhalten könnte“, sagt Zeng. „Dadurch könnte sich die Ausbeute der Windkraft bis zum Jahr 2024 um 3,3 Millionen Kilowattstunden erhöhen.“ Das entspräche einer Zunahme der mittleren globalen Windstrom-Kapazität von drei Prozent pro Jahrzehnt. „Diese Veränderung ist sogar größer als diejenige, die man für den Einfluss des Klimawandels prognostiziert“, so die Forscher.
Allerdings: Dieser Schub für die Windenergie wird höchstwahrscheinlich nicht von Dauer sein. Denn irgendwann werden die Klimazyklen wieder ihren Zustand ändern und dann könnte das nächste globale Abflauen bevorstehen. „Diese Veränderungen zu kennen und vorherzusehen ist für die Windenergie-Industrie wichtig“, sagen Zeng und sein Team. So könnte es sinnvoll sein, neue Windanlagen vor allem dort aufzustellen, wo lokale Strömungen besonders stabile Windverhältnisse bieten.
„Ein Megawatt an Windenergie vermeidet 1.300 Tonnen CO-Emissionen und spart 2.000 Liter Wasser verglichen mit konventionellen Energiequellen“, sagt Koautor Adrian Chappell von der Cardiff University. Entsprechend wichtig sei es, die Windkraft konsequent weiter auszubauen – und sich dabei auf die Winde einzustellen. (Nature Climate Change, 2019; doi: 10.1038/s41558-019-0622-6)
Quelle: Princeton University, Cardiff University