Energie

Windkraft: Karten zeigen Kollisions-Hotspots

Risikozonen für Vogelkollisionen mit Windrädern und Stromleitungen in Europa ermittelt

Kollisions-Hotspots
Diese Karte zeigt die Gefahren-Hotspots für Kollisionen von Vögeln mit bestehenden Windturbinen und Hochspannungsleitungen in Europa. © Gauld et al. 2022

Achtung Gefahr: Forscher haben erstmals ermittelt, wo in Europa Vögeln die höchste Gefahr durch Windanlagen und Stromleitungen droht. Demnach liegen gut 50 Prozent der Kollisions-Hotspots in nur fünf Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Spanien. Ursache dafür ist die Lage an Hauptrouten des Vogelzugs, kombiniert mit einer hohen Dichte an Stromtrassen und Windrädern. Das Wissen um diese Gefahrenzonen könnte helfen, gezielte Schutzmaßnahmen einzuführen und neue Energieinfrastruktur möglichst außerhalb dieser Hotspots zu planen.

Es ist ein echtes Dilemma: Einerseits brauchen wir dringend mehr Windanlagen und Hochspannungsleitungen, um die Energiewende voranzubringen und unsere Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden. Andererseits werden gerade diese hochaufragenden Energie-Infrastrukturen häufig zur Todesfalle für Vögel und Fledermäuse. Die Tiere sehen die Rotoren oder Leitungen zu spät und kollidieren mit ihnen. Umso wichtiger ist es, Gebiete zu finden, in denen dieses Risiko möglichst gering ist.

Wo sind Vögel besonders gefährdet?

Hilfreiche Informationen dazu liefern nun die ersten umfassenden Karten der Kollisions-Hotspots in Europa und Nordafrika. Dafür haben Jethro Gauld von der University of East Anglia und seine Kollegen Daten von GPS-Trackingstudien für 1.454 Vögeln von 27 Arten ausgewertet. Die GPS-Daten verraten, wo besonders viele Vögel in potenziell kollisionsträchtigen Höhen unterwegs sind – beispielsweise, wenn sie zu ihren Winter- oder Brutgebieten unterwegs sind.

Vogeldichte
Diese Karte zeigt die Gebiete Europas, in denen besonders viele Vögel in potenziell kollisionsträchtigen Höhen unterwegs sind. © Gauld et al. 2022

Um die konkrete Gefahr durch Windturbinen und Stromleitungen zu ermitteln, kombinierten die Forschenden diese Daten mit Informationen zur Lage und Größe von Windparks in Europa sowie zum Verlauf von Hochspannungsleitungen. Als potenziell gefährliche Flughöhen für Vögel wertete das Team zehn bis 60 Meter über Grund für die Stromtrassen und 15 bis 135 Meter Höhe für Windanlagen. Zudem berücksichtigten sie weitere artspezifische Risikofaktoren wie Wendigkeit, Sehfähigkeit oder Körpergewicht.

Gefahr vor allem entlang der Hauptzugrouten

Das Ergebnis sind Karten, die potenzielle Kollisions-Hotspots für Vögel in Europa und Nordafrika zeigen. Wie erwartet lagen die gefahrenträchtigsten Gebiete entlang der Hauptrouten des Vogelzugs. Diese führen entlang der Küsten, aber auch quer über den Kontinent in Richtung der beiden Hauptverbindungen nach Afrika – über Gibraltar im Westen und den Bosporus und die Levante im Osten.

„Zu den Hotspots der Vogeldichte gehören die Mittelmeerküste Frankreichs und Südspaniens, der Osten Rumäniens, die Küsten Marokkos und des Sinai sowie die deutsche Ostseeküste“, berichten Gauld und seine Kollegen. In diesen Gebieten sind demnach zumindest zeitweise besonders viele Vögel in den potenziell gefährlichen Flughöhen unterwegs. „In diesen Gebieten sollte daher die Installation neuer Windanlagen oder Hochspannungsleitungen minimiert werden, um die Integrität dieser Flugrouten zu bewahren“, so das Team.

In den Brutgebieten der untersuchten Vogelarten gab es hingegen deutlich weniger Hochrisikozonen. Die Wissenschaftler führen dies auf eine geringere Flugaktivität der Vögel während der Brutsaison zurück, aber auch auf weniger gute Trackingdaten.

Deutschland ist Hotspot für Windrad-Kollisionen

Die neuen Karten geben auch Aufschluss, wo schon jetzt akute Gefahr droht. Sie umfassen die Flächen, in denen die Vogelzugrouten mit einer hohen Dichte von Windanlagen oder Hochspannungsleitungen zusammentreffen. „Diese Gefahrenzonen sind nicht gleichmäßig im Studiengebiet verteilt: Nur fünf Länder machen zusammen 50,5 Prozent der Hochrisikoflächen aus“, berichten die Forschenden. Dazu gehören Deutschland, Spanien, Frankreich, die Türkei und Polen.

„Die hohe Kollisionsgefahr in Mitteleuropa lässt sich primär auf die hohe Dichte von Windturbinen zurückführen“, erklärt das Team. „Allein Deutschland umfasst 55,2 Prozent aller Gitternetzzellen mit hohem Risiko furch Windturbinen.“ Bei Ländern wie Spanien und der Türkei geht ein Großteil des Risikos darauf zurück, dass die Vogelzugrouten dort Engstellen aufweisen, in denen sich viele Vögel auf engsten Raum konzentrieren.

Weißstorch
Weißstörche gehören zu den Vögeln, die sowohl durch Windturbinen als auch durch Stromleitungen gefährdet sind. © manx_in_the_world/ GettyImages

Risiko je nach Vogelart unterschiedlich

Die Ergebnisse beleuchten zudem, welche Vogelarten am meisten gefährdet sind und durch welche Energie-Infrastruktur. Windanlagen stellen demnach vor allem für Uhus, Singschwäne und Kraniche eine potenzielle Gefahr dar. Durch Hochspannungsleitungen besonders gefährdet sind Weißstörche, verschiedene Bussardarten, Uhus und Singschwäne, aber auch der Spanische Kaiseradler oder die Heringsmöwe.

Typischerweise handelt es sich dabei um große, im Flug wenig wendige Vögel, die sich in den potenziellen Risikozonen auf Kollisionshöhe mit Energie-Infrastrukturen bewegen. Gleich mehrfach gefährdet sind dabei Vogelarten wie Kraniche und Störche, die auf ihren Wanderungen lange Strecken zurücklegen und dadurch viele Risikogebiete passieren müssen. Kleinere, wendigere Arten wie der Falke oder die Wiesenweihe sind hingegen weniger anfällig.

Hilfreich für die Planung neuer Anlagen

Nach Ansicht des Forschungsteams können die Erkenntnisse dazu beitragen, die Planungen für neue Windanlagen und Stromtrassen besser auf den Artenschutz abzustimmen. „Unsere Karten können zeigen, wo neue Windparks und Stromleitungen besser nicht gebaut werden sollten“, erklären Gauld und seine Kollegen. Zudem können sie aufzeigen, für welche bestehenden Anlagen Vogelschutzmaßnahmen am dringendsten nötig sind.

Denn wie das Team betont, lässt sich das Kollisionsrisiko durch solche Anlagen durchaus verringern – auch nachträglich. So können Stromleitungen in Kollisions-Hotspots beispielsweise durch Fähnchen und Markierungen an Leitungen und Masten sichtbarer gemacht werden. „Bei Windanlagen könnten man Rotoren markieren, sie auf dem Höhepunkt der Zugzeit vorübergehend stilllegen oder auch viele kleine Windräder durch wenige große ersetzen“, erklären die Forschenden. Solche Maßnahmen können verhindern, dass die Energiewende auf Kosten der Biodiversität geht. (Journal of Applied Ecology, 2022; doi: 10.1111/1365-2664.14160)

Quelle: University of East Anglia

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