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Energie

Windkraft: So könnten Rotoren recycelbar werden

Neuartiges Kunstharz erlaubt Trennung und Wiedergewinnung der Rotorblatt-Verbundstoffe

Windkraft-Rotor
Die Rotorblätter von Windkraftanlagen sind bisher kaum recycelbar – das macht sie zum Umweltproblem.© ivan canavera/ iStock

Aus alt mach neu: Bisher sind Windkraft-Rotorblätter nach abgelaufener Betriebszeit Abfall – ihr Material lässt sich kaum recyceln. Doch ein biobasiertes Kunstharz mit Upcycling-Potenzial könnte das nun ändern. Das PECAN getaufte Material ist genauso stabil und witterungsbeständig wie gängige Rotor-Epoxidharze, wie US-Forscher in „Science“ berichten. Anders als bisherige Faserverbundstoffe lässt sich dieses Material aber wieder einschmelzen und für neue Rotorblätter verwenden.

Die Windenergie ist für die Energiewende unverzichtbar. Onshore- und Offshore-Windanlagen erzeugen einen großen Teil des Stroms, der für unsere Haushalte, Industrien und auch für die künftige Erzeugung von grünem Wasserstoff benötigt wird. Doch wie nachhaltig sind die Windkraftanlagen selbst? Während Beton, Stahl und andere Komponenten nach der Betriebsdauer von rund 20 bis 30 Jahren bereits weitgehend recycelt werden, ist dies für die Rotorblätter nicht der Fall.

Die Rotorblätter von Windkraftanlagen bestehen aus Faserverbundstoffen, die nur schwer wiedergewonnen werden können. Das Mischmaterial aus Glasfasern oder Carbonfasern in Epoxidharz wird daher meist verbrannt, zerkleinert und als Betonzusatz verwendet – oder schlicht auf die Deponie geworfen. „Weltweit werden Schätzungen zufolge 43 Millionen Tonnen Rotorblattabfall bis zum Jahr 20250 auf Müllhalden landen“, erklären Ryan Clarke und seine Kollegen vom National Renewable Energy Laboratory in den USA.

PECAN-Kunstharzwürfel
Das PECAN-Kunstharz ist im ausgehärteten Zustand genauso stabil und fest wie gängiges Epoxid-Kunstharz. © Werner Slocum/ NREL

Mittelding aus Duroplast und Thermoplast

Deshalb hat das Team um Clarke nach einem Material gesucht, das nachhaltiger und besser recycelbar, aber genauso stabil und beständig ist wie die gängigen Faserverbundstoffe. Im Fokus standen dabei sogenannte Covalently Adaptable Networks (CAN). Diese Polymere bilden beim Härten ähnlich stabile Netzwerke wie die gängigen duroplastischen Kunstharze. Doch während deren Querverstrebungen selbst bei Hitze nicht mehr knackbar sind, lösen sich die kovalenten Bindungen der CAN-Polymere ab einer bestimmten Temperatur wieder.

Diese Materialien bilden damit eine Zwischenform zwischen den nicht wieder einschmelzbaren Duroplast-Epoxidharzen und den weicheren, kaum quervernetzten Thermoplast-Polymeren, die beispielsweise für Kinderspielzeug wie Lego-Steine verwendet werden. Dadurch könnten CAN-Polymere die Rotorblätter von Windkraftanlagen recycelbar machen – sofern sie stabil genug sind und sich ähnlich gut im industriellen Maßstab verarbeiten lassen.

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In der Verarbeitung ebenbürtig

Ob das der Fall ist, haben Clarke und seine Kollegen für ein von ihnen entwickeltes biobasiertes Polyester-CAN (PECAN) untersucht. Sie verglichen PECAN mit RIMER-135, einem nichtrecycelbaren Epoxidharz, das als Industriestandard bei der Rotorblattfertigung gilt. Zuerst untersuchten die Forschenden, wie gut sich das neue Kunstharz verarbeiten lässt. „Um sich in der Industrie durchzusetzen, muss der Fertigungsprozess auf die bestehenden Infrastrukturen übertragbar sein, dabei aber Vorteile bei Energie, Zeit und Kosten bieten“, erklären sie.

Es zeigte sich, dass das PECAN-Kunstharz ähnlich fließfähig und gut verarbeitbar ist wie das gängige Expoxidharz, aber sogar schneller aushärtet: Schon nach fünf Stunden bei 80 Grad hatten sich die nötigen Querverbindungen im Polymer gebildet. Bei RIMER-135 ist dagegen ein zweites Erhitzen von ein bis zwei Stunden bei 120 bis 180 Grad üblich, wie das Team berichtet. Demnach könnte PEAN sogar Energie sparen.

Alle Härtetests bestanden

Dann folgten die Härtetests: Ist das PECAN-Material ähnlich druckstabil, bruchfest und witterungsbeständig wie das gängige Rotorblattmaterial? Auch hier konnte das recycelbare Kunstharz überzeugen: Es widerstand ähnlich hohen Druck- und Zugkräften wie RIMER-135 und erwies sich sogar unter UV-Strahlung sogar als beständiger: „Im Kontrast zu PECAN zeigten die gängigen Kunstharze merkliche Anzeichen für eine Photodegradation“, berichten die Forschenden.

Unerwartet war das Resultat bei einem weiteren, für die Stabilität der Rotorblätter wichtigen Merkmal, dem sogenannten Creep. Als solches wird die schleichende Verformung des Kunstharzes durch Umlagerungen von Bindungen innerhalb des Polymernetzwerks bezeichnet. Die Tests ergaben, dass PECAN sogar beständiger gegenüber dieser Verformung war als RIMER-135 – obwohl die chemischen Querverstrebungen bei PECAN reversibel sind. „Diese Unterdrückung des Creep trotz dynamischer Querverlinkung ist bemerkenswert“, konstatieren Clarke und sein Team.

Einschmelzen und wiederverwenden

Doch wie gut lässt sich das PECAN-Kunstharz in der Praxis recyceln? Das haben die Forschenden an einem Prototyp in Form eines neun Meter langen Rotorblatts ausprobiert. Ähnlich wie gängige Rotorblätter bestand der Prototyp aus einem Stützgerüst – in diesem Falle Balsaholz -, Carbonfasern und als Matrix dem PECAN-Kunstharz. Für das Recyceln zerteilten Clarke und sein Team das Rotorblatt und erhitzten es unter Zugabe von Methanol und Säure auf 225 Grad. Bei dieser Methanolyse werden die Polymerketten zerteilt und das Kunstharz schmilzt.

Der Recyclingtest ergab: Sowohl das PECAN-Kunstharz als auch die Carbonfasern und sogar das Holz konnten wiedergewonnen werden. Das recycelte Polymer, weitere chemische Grundstoffe und die Fasern waren gut genug erhalten, um sie wiederzuwenden. „Wenn man es richtig macht, ist das ein echter Kreislauf“, sagt Clarke. Sein Kollege Johney Green ergänzt: „Der PECAN-Ansatz für recycelbare Windkraft-Rotorblätter ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft für Energiematerialien.“ (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adp5395)

Quelle: DOE/ National Renewable Energy Laboratory (NREL)

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