Für die Energiewende benötigt Deutschland große Mengen an grünem Wasserstoff und Ammoniak. Doch welche Länder bieten die besten Voraussetzungen für günstige Importe dieser Energieträger bis 2030? Das haben Forscher jetzt untersucht. Demnach wären Brasilien, Kolumbien und Australien geeignete Lieferanten für grünen Ammoniak und E-Fuels. Wasserstoffgas sollte hingegen aus Südeuropa oder Nordafrika kommen – vorausgesetzt, bis 2030 werden entsprechende Pipelines gebaut.
Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte Ammoniak, Methanol und synthetisches Kerosin sind für die Energiewende unverzichtbar. Doch die Herstellung dieser Energieträger erfordert große Mengen an erneuerbar erzeugtem Strom – mehr als Deutschland bisher mittels Sonne, Wind und Co erzeugen kann. Zwar könnte bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien ein Teil des Wasserstoffbedarfs künftig durch heimische Produktion gedeckt werden. Aber ohne Importe wird es mittelfristig nicht gehen.
Zwölf potenzielle Herkunftsländer im Vergleich
Doch woher könnte Deutschland den grünen Wasserstoff am günstigsten beziehen? Welche Länder bis 2030 als Lieferanten für Wasserstoff und Power-to-X-Produkte am besten geeignet wären, haben Christoph Hank und seine Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE jetzt genauer untersucht.
Für ihre Studie verglichen die Forschenden mithilfe eines Analysemodells die Bedingungen für die Produktion und den Transport von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten für zwölf Länder, darunter Indien, Australien sowie mehrere Länder in Nordafrika und Südamerika. Die Ländervorauswahl geht auf Absprachen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der H2Global Foundation zurück. Berücksichtigt wurden dabei das Potenzial für Strom aus Sonne und Wind, aber auch bestehende Energiepartnerschaften und politisch-ökonomische Aspekte.
In die Kalkulationen gingen die Kosten und Kapazitäten für Strom aus Sonne und Wind ein, aber auch die vorhandene oder noch zu errichtende Infrastruktur, die Verfügbarkeit von Wasser für die Elektrolyse oder den Transportweg.
Ammoniak und E-Fuels könnten auch von Ferne kommen
Das Ergebnis: Für grünen Ammoniak und E-Fuels bieten Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Bedingungen. „Die lokalen Produktionskosten für gasförmigen grünen Wasserstoff sind laut unseren Berechnungen für die zwölf vorausgewählten Länder nirgendwo so niedrig wie in Brasilien, Australien und dem Norden Kolumbiens“, berichtet Hank. Gründe dafür sind die guten Bedingungen für Solar- und Windkraftanlagen und die damit verbundene hohe Auslastung der derzeit noch kapitalintensiven Power-to-X-Prozesse.
„Zwischen 96 und 108 Euro kostet dort die Produktion einer Megawattstunde, das sind rund 3,20 bis 3,60 Euro pro Kilogramm grünen Wasserstoffs“, so Hank. Allerdings müsste dieser Wasserstoff wegen der großen Entfernung dieser Länder zu Deutschland in Ammoniak umgewandelt oder verflüssigt werden und dann per Tanker transportiert werden.
„Wird der Ferntransport per Schiff entweder in Form von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak berücksichtigt, ergeben sich unter bestmöglichen Bedingungen Bereitstellungskosten für Deutschland von 171 Euro pro Megawattstunde“, so Hank. In Summe würde dies auf einen Wasserstoffpreis von mindestens 5,70 Euro hinauslaufen.
Beste Bedingungen bietet Nordafrika
Deutlich günstiger wäre dagegen der Import von gasförmigem Wasserstoff aus Südeuropa oder Nordafrika – allerdings nur, wenn dafür rechtzeitig Pipelines zum Transport zur Verfügung stehen. „Regionen in Südeuropa und Nordafrika schneiden bei diesem Szenario am besten ab“, berichtet Hank. „Unter der Voraussetzung, dass erste Abschnitte dieser Pipeline-Infrastruktur bis 2030 gebaut werden, könnten ab dann große Mengen nachhaltig erzeugten Wasserstoffs auf eine sehr kosteneffiziente Weise nach Europa und damit auch Deutschland transportiert werden.“
Die Bereitstellungskosten für grünen Wasserstoff aus Algerien, Tunesien und Spanien könnten dann inklusive Transport über eine umgerüstete Erdgaspipeline bei rund 137 Euro pro Megawattstunde im günstigsten Fall liegen, wie das Team berichtet. Dies entspricht 4,56 Euro pro Kilogramm grünem Wasserstoff. Weitere Kostenreduktionen seien nach 2030 durch Optimierung, Skalierung und technische Fortschritte der gesamten Power-to-X-Wertschöpfungskette zu erwarten.
Strom und Wind der entscheidende Faktor
Insgesamt sind der Studie zufolge geringe Kosten und hohe Verfügbarkeit von Strom aus Wind- und Solarenergie der entscheidende Faktor. „Wir haben generell festgestellt, dass die Kombination aus guten Wind- und Solarstrom-Bedingungen sich sehr positiv auf die Kosten der Wasserstoffherstellung auswirkt, oft mehr, als wenn eine Region über herausragend gute Bedingungen entweder nur für Wind- oder nur für Solarstromerzeugung verfügt“, erklärt Koautor Christoph Kost von Fraunhofer ISE.
Dagegen kann die Transportdistanz beim Import von Wasserstoff, Ammoniak und Co einen entscheidenden Einfluss haben, ist aber nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium, so das Team. Außerdem müsse das komplexe Zusammenspiel von Stromerzeugung, Infrastruktur und administrativen und politischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.
Die Zeit drängt
Doch wenn der Import von Wasserstoff und Co funktionieren soll, müsse die Vorbereitung jetzt beginnen, betonen die Wissenschaftler. Denn Power-to-X-Projekte im Gigawatt-Leistungsmaßstab haben lange Planungs- und Bauphasen, sodass eine Realisierung erster Großprojekte in geeigneten Ländern schon jetzt eingeleitet werden sollte. Nach Berechnungen des Fraunhofer ISE benötigt Deutschland bis 2030 sowohl heimisch hergestellte wie auch Importe von Power-to-X-Energieträgern mindestens im einstelligen Terawattstunden-Bereich. (Power-to-X Country Analysis, 2023)
Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE