Sinnvolle Zweitnutzung: Gebrauchte Akkus aus Elektroautos haben noch genug Restleistung, um nützliche Dienste zu leisten – beispielsweise als Batteriespeicher und Puffer für Schnellladestationen, Solaranlagen oder die Windkraft. Der erste Prototyp eines solchen „Second-Life“-Batteriespeichers ist in dieser Woche in Hessen ans Netz gegangen. Dank eines speziellen Steuerungssystems kann sich der Stromspeicher aus alten Akkus flexibel an die Lage im Stromnetz anpassen.
Ohne Lithium-Ionen-Akkus geht in einem Elektrofahrzeug nichts, denn diese Batterien liefern die nötige Antriebsenergie für den Motor. Doch wie bei allen Lithium-Ionen-Batterien nimmt die Leistung der Auto-Akkus mit der Zeit ab, ihre Nutzungsdauer in Autos ist daher auf rund zehn Jahre beschränkt. Aber wohin mit den ausgedienten E-Autobatterien? Immerhin enthalten sie wertvolle und zusehends knappe Rohstoffe wie Nickel, Kobalt, Mangan oder Lithium.
Eine Möglichkeit ist das Recycling. Forscher arbeiten bereits an automatisierten Verfahren, bei denen Roboter die Auto-Akkus auseinanderbauen und die Komponenten sortenrein sortieren.
Zweitnutzung als Stromspeicher
Doch es geht auch einfacher – indem man ausgediente Batterien von Elektroautos einfach für andere Zwecke weiternutzt. Denn in der Regel haben die gebrauchten E-Fahrzeug-Akkus noch eine Restkapazität von etwa 85 Prozent oder mehr. Das ist genug, um beispielsweise als batteriebasierter Stromspeicher zu dienen. Ein solcher Batteriespeicher kann einerseits netzunabhängig Strom bereitstellen, beispielsweise an Schnellladesäulen. Durch den Batteriespeicher können diese auch bei schlechtem Netzausbau und geringer Anschlussleistung funktionieren – in ländlichen Gegenden zum Beispiel.
Der Speicher kann aber auch überschüssigen Strom vorübergehend speichern, beispielsweise an Photovoltaik-Anlagen oder Windparks. Damit wirkt der Second-Life-Batteriespeicher wie Puffer, der Energie speichert, wenn besonders viel davon im Stromnetz verfügbar ist und sie wieder abgibt, wenn erforderlich. „Batteriespeicher sind gut geeignet, um die Auswirkungen auf die Netze abzumildern, die sich durch fluktuierende Einspeisung von Sonnen- und Windkraftanlagen auf der einen und durch kurzfristig hohen Leistungsbedarf, etwa durch Ladeparks auf der anderen Seite ergeben“, erklärt Sven Kunkel vom lokalen Netzbetreiber OsthessenNetz.
Prototyp liefert Strom für Schnelladestation
Den Prototyp eines intelligenten Second-Life-Batteriespeichers haben nun Wissenschaftler um Ulf Schwalbe von der Hochschule Fulda gemeinsam mit OsthessenNetz entwickelt. Der Speicher besteht aus gebrauchten Elektroauto-Akkus, die in einem Container verbaut sind. Dadurch ist das System mobil und kann flexibel an verschiedenen Netzknotenpunkten eingesetzt werden. Der als Schnellladestation ausgelegte Prototyp stellt zwei Ladepunkte mit Gleichstrom und zwei mit Wechselstrom bereit. Er ist in dieser Woche in Fulda ans Netz gegangen.
Die Second-Life-Ladestation hat eine nutzbare Kapazität von 180 Kilowattstunden sowie eine Ladeleistung von bis zu 150 Kilowatt. Zum Vergleich: Die Wallbox in der heimischen Garage hat eine Ladeleistung von 11 Kilowatt. Damit dieser Batteriespeicher das Stromnetz entlastet und als Puffer wirkt, wird er über ein speziell auf das Second-Life-System ausgelegtes Energiemanagementsystem gesteuert. Spezielle Algorithmen sorgen dafür, dass der Speicher je nach Situation Strom aus dem Netz nachlädt oder wieder in das Netz einspeist.
„Das System passt sich durch seine intelligenten Algorithmen automatisch auf den Anwendungsfall an und verfügt über Selbstdiagnosealgorithmen zur Überwachung der Batterien“, erläutert Schwalbe.
Einsetzbar auch an Solar- und Windkraftanlagen oder für Notstrom
Das mit dem Prototyp demonstrierte System kann schon jetzt an Autobahnraststätten und Tankstellen ohne ausreichenden Netzanschluss eingesetzt werden. Sie kommt aber auch für kleine, mittlere und große Firmen infrage oder für Einkaufszentren. Der Second-Life-Stromspeicher lässt sich auch so konfigurieren, dass er als Zwischenspeicher für eine Photovoltaikanlage dient. Weiterhin ist der flexible Einsatz als Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) möglich. Der Speicher kann damit auch klassische Notstromaggregate teilweise ersetzen.
„Mit dieser Lösung können wir die Nutzung der regenerativen Energien weiter ausbauen“, sagt Schwalbe. Das Forschungsteam will die Erfahrungen mit dem Prototyp nutzen, um einen dezentral und universell einsetzbaren, ortsflexiblen, modularen Batteriespeicher mit der noch höheren Kapazität von etwa einer Megawattstunde zu entwickeln – ebenfalls auf Basis gebrauchter Lithium-Ionen-Akkus aus der Elektromobilität. Damit ließe sich zum Beispiel auch der Einfluss von Ladeparks an Autobahnen auf das lokale Stromnetz reduzieren.
Darüber hinaus arbeiten die Wissenschaftler daran, die verschiedenen Anwendungsszenarien wie Netzflexibilisierung, Spannungsglättung, Einspeise-Pufferung aus erneuerbaren Energieanlagen, Leistungsbereitstellung für Hochleistungsverbraucher oder Bereitstellung von Regelleistung bestmöglich miteinander zu kombinieren.
Quelle: Hochschule Fulda