Neue Funde urzeitlicher Steinwerkzeuge im Oman ermöglichen es Archäologen, den Weg einer der ersten aus Afrika auswandernden Frühmenschengruppen nachzuvollziehen. Im Süden der Arabischen Halbinsel entdeckten die Forscher an mehr als 100 Stellen einen über 100.000 Jahre alten Typ von Klingen, Spitzen und Schabern. Diese sogenannten nubischen Steinwerkzeuge wurden von sehr frühen Vertretern des Homo sapiens gefertigt und waren bisher nur aus dem Niltal bekannt. Jetzt habe man diese Werkzeuge erstmals auch außerhalb Afrikas entdeckt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“.
„Nachdem wir mehr als ein Jahrzehnt lang im Süden Arabiens nach Hinweisen auf die frühe Ausbreitung des Menschen gesucht haben, sind wir jetzt endlich fündig werden“, sagt Erstautor Jeffrey Rose von der University of Birmingham. Wie einer Spur von steinernen Brotkrumen könne man nun den Werkzeugfunden folgen, um die Wanderungen der frühen Menschen aus Nordostafrika über das Rote Meer nach Arabien zu rekonstruieren.
Aus den Funden ergebe sich allerdings ein Bild, das einigen bisherigen Szenarien widerspreche, meinen die Forscher. Denn die frühen Menschen zogen vor 106.000 Jahren nicht nur entlang der Küsten nach Osten, wie man bisher annahm. Stattdessen hielten sie sich weiter im Inland auf. Das belege die Lage der Fundstellen am Südrand des zentralen Hochplateaus der Arabischen Halbinsel, sagen Rose und seine Kollegen. Vermutlich seien die ersten Menschen in dieser Region Jäger gewesen, die den Läufen von Flüssen folgten und so weit ins Inland vordrangen.
Klima begünstigte Besiedlung Zentralarabiens
Die neuen Funde lassen sich gut mit den Ergebnissen einer erst kürzlich erschienen Klimastudie vereinbaren. Nach dieser war die heute von Wüste bedeckte arabische Halbinsel vor rund 100.000 Jahren grün und fruchtbar. „Für eine Weile wurde Südarabien ein Paradies – es gab genügend Wild zum Jagen, reichlich Trinkwasser und besonders gut für die Werkzeugherstellung geeignete Gesteine“, sagt Rose.
Auf dem Hochplateau von Nejd finde man an vielen Stellen Hornstein, einen feinkörnigen, muschelig brechenden Stein. Aus diesem ließen sich gut Werkzeuge mit scharfen Bruchkanten herstellen, erklären die Forscher.
Weiteres Schicksal der Nejd-Menschen unklar
Ob sich die frühen Menschen damals in Arabien dauerhaft niederließen und was später mit ihnen geschah, ist noch unbekannt. Forschungen haben ergeben, dass sich das Klima in Südarabien vor rund 74.000 Jahren deutlich verschlechterte. Es wurde trocken und die Wüste breitete sich aus.
Ob die Bewohner des Nejd dies überlebten und ob sie vielleicht wieder auswanderten, wisse man nicht, sagen Rose und seine Kollegen. Es gebe Hinweise darauf, dass das Klima weiter im Norden der Arabischen Halbinsel noch länger feucht blieb. „Die Bewohner Südarabiens könnten daher dorthin ausgewichen sein“, schreiben sie.
Um das zu untersuchen, müsse man nun weitere Grabungen im zentralen Hochland durchführen. „Wir haben bisher erst rund ein Prozent des insgesamt 33.000 Quadratkilometer großen Hochplateaus untersucht“, sagen die Forscher. Daher rechne man auf jeden Fall mit weiteren Funden. (PloS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0028239)
(PloS ONE / dapd, 02.12.2011 – NPO)