Geowissen

18.000 Tote durch Naturkatastrophen in 2006

Wetterphänomene bremsten Hurrikan-Entstehung

18.000 Menschen starben im letzten Jahr weltweit bei Naturkatastrophen und die volkswirtschaftlichen Schäden von Erdbeben, Stürmen, Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen beliefen sich bis Ende Dezember 2006 auf 45 Milliarden US-Dollar. Dies teilte die Münchener Rück Versicherung in einer ersten Bilanz mit. 2005 waren, vor allem wegen des verheerenden Erdbebens in Pakistan und Indien, noch über 100.000 Menschen getötet worden und die Schäden betrugen 219 Milliarden US-Dollar. Das unerwartet glimpfliche Ergebnis ist nach Angaben der Münchener Rück vor allem auf das Ausbleiben schwerer Hurrikane im Nordatlantik zurückzuführen.

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"Es bleibt aber dabei: Auch wegen der globalen Erwärmung steigt auf längere Sicht die Zahl schwerer wetterbedingter Naturkatastrophen. Zusammen mit den weiter steigenden Wertekonzentrationen in exponierten Gebieten führt dies zu immer höheren Schadenpotenzialen. Selbst so scheinbar widersprüchliche Ereignisse wie enorme Schneedruckschäden in Europa Anfang 2006 und jetzt am Jahresende der zunächst extrem warme Winter mit Potenzial zu schweren Winterstürmen passen zu diesem Muster.", so Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Münchener Rück:

Besondere Naturkatastrophen 2006 im Einzelnen:

  • Januar bis März: Rekordschäden durch Schneedruck in Österreich; hunderte Tote durch Kältewelle in Osteuropa
  • 20. März: Warnschuss für Australien: Stärkster Zyklon seit Beginn der Messungen; 400 Millionen US-Dollar versicherter Schaden in dünn besiedeltem Gebiet
  • 27. Mai: Erdbeben auf Java überrascht durch starke Zerstörungen, zeigt Verwundbarkeit von Ballungsräumen in Südostasien. Weit über 5.000 Todesopfer
  • 28. Juni: 300 Millionen US-Dollar versicherte Schäden nach Unwetter mit schwerem Hagelschlag im Schwarzwald (Süddeutschland)
  • Milliardenschäden bei Tornados in USA; kleinere Tornados in London, Hamburg und Nürnberg zeigen Schadenpotenziale auch in europäischen Großstädten

Nordatlantik: Geringe Zahl an Hurrikanen in 2006 widerspricht nicht dem Trend

Die Hurrikan-Saison im Nordatlantik brachte diesmal deutlich weniger Stürme und den niedrigsten Schaden für die Versicherungen seit dem Jahr 2000. Am Ende schlugen 250 Millionen US-Dollar versicherte Schäden aus tropischen Wirbelstürmen zu Buche, nachdem im Jahr zuvor eine Hurrikan-Serie ohnegleichen die Versicherungswirtschaft mit 87 Milliarden US-Dollar belastet hatte.

2006 verursachten nur drei tropische Wirbelstürme schwere Schäden, im Vorjahr waren es 17. Meteorologische Sonderfaktoren reduzierten nach Angaben der Münchener Rück die Hurrikan-Aktivität: Staubpartikel, die aus der Sahara in das Hurrikan-Entstehungsgebiet geweht wurden, absorbierten die Sonnenstrahlung, wärmten und trockneten die Luftschicht in mittlerer Höhe. Das dämpfte vor allem im August die Entstehung von Wirbelstürmen. Im Oktober wirkte zudem das El-Niño-Phänomen im Pazifik als Bremse. Im September dagegen, als dieser Effekt von El Niño noch nicht ausgebildet war, entstanden vier Hurrikane. Viele Stürme bogen jedoch wieder auf den offenen Atlantik ab, ohne Festland zu erreichen.

Die hohen Meerestemperaturen von bis zu einem Grad über dem langfristigen Durchschnitt hatten eine größere Zahl von Wirbelstürmen erwarten lassen. Bei der Lufttemperatur war 2006 nach Einschätzung der World Meteorological Organization das sechstwärmste Jahr seit Beginn der Messungen, für die Nordhalbkugel war es sogar das viertwärmste Jahr. Damit fallen global und für die Nordhemisphere die zehn wärmsten jemals gemessenen Jahre in den Zeitraum von 1995 bis 2006.

"Den Klimawandel bestreitet ernsthaft eigentlich niemand mehr. Er wird langfristig zu einer höheren Zahl schwerer Naturkatastrophen beitragen", sagt Professor Peter Höppe, Leiter der GeoRisiko-Forschung der Münchener Rück. Aufgrund der anhaltenden zyklischen Warmphase im Nordatlantik, die durch die Erderwärmung verstärkt wird, geht die Münchener Rück für die nächsten ein bis zwei Dekaden von einer überdurchschnittlichen Zahl von Hurrikanen im Vergleich zum Mittelwert der Zeit 1950 bis 2006 aus (jährlicher Durchschnitt: zehn benannte Wirbelstürme, davon sechs mit Hurrikanstärke).

Asien: Höhere Schäden durch tropische Stürme

In Asien richteten Wirbelstürme mit 1,5 Milliarden US-Dollar versicherten Schäden und 15 Milliarden US-Dollar volkswirtschaftlichen Schäden größere Zerstörungen an als im Vorjahr. Der mit Abstand schadenträchtigste Tropensturm war der Taifun "Shanshan", der zwischen 16. und 19. September mit Windgeschwindigkeiten bis zu 145 Kilometern pro Stunde über Japan und Korea hinwegzog. Der versicherte Schaden betrug 1,2 Milliarden US-Dollar.

Als "Warnschuss" gilt der Zyklon Larry, der am 20. März mit Windgeschwindigkeiten bis zu 290 Kilometern pro Stunde als schwerster Tropensturm seit Beginn der Messungen im Norden Australiens die dünn besiedelte Küste von Queensland traf. In einzelnen Orten wurden fast alle Gebäude beschädigt. Nur wegen der relativ dünnen Besiedelung der Region blieb der wirtschaftliche Schaden bei 1,1 Milliarden US-Dollar, der versicherte Schaden lag bei 400 Millionen US-Dollar Hätte der Sturm eine Großstadt wie Brisbane getroffen — ein vielfach höherer Schaden wäre die Folge gewesen.

Erneut hohe Zahl an Todesopfern bei Erdbeben, überraschende Schäden

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Auch 2006 war die Naturkatastrophe mit den meisten Todesopfern ein Erdbeben: Am 27. Mai erschütterte ein Beben der Stärke 6,3 die dicht besiedelte, aber wirtschaftlich wenig entwickelte Region um die Stadt Yogyakarta auf der indonesischen Insel Java. 5.750 Menschen kamen nach offiziellen Angaben ums Leben, etwa eine Million Menschen wurden binnen Sekunden obdachlos. 154.000 Häuser wurden zerstört, der ökonomische Schaden belief sich auf 3,1 Milliarden US-Dollar.

Das Ausmaß der Schäden und die trotz adäquater Bauvorschriften festzustellende Anfälligkeit neuerer Gebäude wie Einkaufszentren oder Hotels sind nach Angaben der Münchener Rück beunruhigend — zumal das Erdbeben nur mittelstark war. Der versicherte Schaden betrug zwar nur 35 Millionen US-Dollar, gut ein Prozent des Gesamtschadens. Aber: Ein größerer Schaden blieb nur wegen der geringen Versicherungsdichte aus. In der Region um die ebenfalls erdbebengefährdete Hauptstadt Jakarta, wo 40 Prozent der versicherten Werte ganz Indonesiens angesiedelt sind, wäre ein solches Beben mit ähnlichen Zerstörungen verheerender — für die Menschen wie für die Versicherungen. Die Münchener Rück wird im Frühjahr 2007 ein neues Erdbeben-Risikomodell für diese Region vorstellen, in das die neuen Erkenntnisse einfließen.

Anfang 2006: Mitteleuropa versinkt im Schnee

In Europa ragte der schneereiche Winter als folgenreichstes Naturereignis des Jahres hervor. Ab November 2005 fielen in weiten Teilen Mitteleuropas große Schneemengen. Wegen vielerorts nur kurzer Antauphasen im Wechsel mit weiteren Schneefällen türmten sich in den folgenden Monaten zusehends hohe Schneelasten auf den Gebäuden. In Süddeutschland, Österreich und Teilen Osteuropas stürzten zahlreiche Dächer wegen der tonnenschweren Lasten ein, tausende Helfer schaufelten Schneemassen von Häusern und Hallen. Beim Einsturz einer Eislaufhalle in Bad Reichenhall (Süddeutschland) am 2. Januar kamen 15 Menschen ums Leben, allerdings spielten dabei technische Mängel eine wesentliche Rolle.

In Österreich entstanden durch Schneedruck versicherte Schäden von fast 400 Millionen US-Dollar — für die österreichische Versicherungswirtschaft ein sehr großer Schaden, der fast zehn Prozent der Jahresprämien der Sachversicherung ausmachte.

Der ungewöhnlich schneereiche Winter 2005 in Europa passt laut Münchener Rück ebenso wie der warme Winterauftakt 2006 zum Phänomen des Klimawandels: Neben dem Trend zu wärmeren Wintern ist auch eine Zunahme der Wetterextreme mit einer größeren Variationsbreite zu erwarten. Größter Einzelschaden in Deutschland war ein Unwetter mit Hagelsturm im Schwarzwald, bei dem am 28. und 29. Juni ein versicherter Schaden von rund 300 Millionen US-Dollar entstand.

Die Verwundbarkeit und die Schadenpotenziale insbesondere in Ballungsräumen wurden auch durch einige Tornado-Ereignisse in Europa deutlich. Die versicherten Schäden waren mit jeweils einstelligen Millionensummen zwar nicht sehr groß, aber: Bei den Tornados handelte es sich immerhin um Stürme der Stufe 2 der 5-stufigen Fujita-Skala mit Windgeschwindigkeiten bis 250 Kilometer pro Stunde. Tornados bestehen meist nur kurz, in den genannten Fällen schlugen sie eine wenige hundert Meter lange Schneise in Wohngebieten. Die dabei entstandenen Zerstörungen weisen auf das enorme Schadenpotenzial insbesondere in Ballungsräumen hin. Höppe: "Bei besonders schweren Gewittern kommen diese Stürme weltweit immer wieder vor, eine Vorhersage ist kaum möglich."

Während der Weihnachtstage verursachten im US-Bundesstaat Florida Tornados nochmals Schäden — ein für diese Winterjahreszeit relativ seltenes Ereignis. Ein Tornado ereignete sich nur rund 60 Kilometer von Orlando mit dem Vergnügungspark "Disney World" entfernt. Die Münchener Rück hat immer wieder auf die Risiken durch Wertekonzentration — Stichwort Megacities — Megarisiken — hingewiesen.

(Münchener Rück, 02.01.2007 – DLO)

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