Fundamentaler Kreislauf: Forscher haben die bisher umfassendste Kohlenstoffbilanz unseres Planeten erstellt. Demnach umfasst die Erde insgesamt 1,85 Milliarden Gigatonnen Kohlenstoff. Doch mehr als 99,9 Prozent davon sind im Erdinneren gespeichert. Ozeane, Lebenswelt und Atmosphäre dagegen machen nur einen winzigen Bruchteil aus. Ihre Bilanz enthüllt aber auch, dass der Mensch inzwischen mehr Kohlenstoff freisetzt als alle geologischen Prozesse zusammen.
Das Element Kohlenstoff ist die Basis allen Lebens auf der Erde und ein entscheidender Akteur im globalen Stoffkreislauf. Ständig wird Kohlenstoff in Form von CO2 oder Methan aus Biosphäre und Untergrund frei, unter anderem durch Verbrennung von Biomasse, fossilen Brennstoffen oder durch Vulkanausbrüche. Umgekehrt nehmen Ozeane, Pflanzenwelt und auch Sedimente Kohlenstoff auf und transportieren ihn beispielsweise an Subduktionszonen in das Erdinnere.
Doch wie viel Kohlenstoff es auf unserem Planeten gibt und wie er verteilt ist, ist bislang nur in Teilen geklärt. Im Rahmen des Deep Carbon Observatory Programm (DCO) wird dies deshalb schon seit zehn Jahren intensiv erforscht – unter Mitwirkung von mehr als 1.200 Wissenschaftlern aus 55 Ländern. Jetzt haben sie eine erste Bilanz veröffentlicht. In acht Fachartikeln präsentieren sie den Stand des Wissens zum globalen Kohlenstoffkreislauf und seinen Akteuren.
Mehr als 99,9 Prozent sind unterirdisch
Das Ergebnis: Die Erde umfasst insgesamt 1,85 Milliarden Gigatonnen Kohlenstoff – eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen. Von dieser unvorstellbar großen Masse liegen jedoch mehr als 99,9 Prozent unter der Erdoberfläche, verteilt auf Erdkern, Erdmantel und die Erdkruste. Dort ist der Kohlenstoff sowohl elementar als auch in Form chemischer Verbindungen in verschiedensten Gesteinen und Mineralen enthalten.
Über der Erdoberfläche liegt dagegen nur ein winziger Bruchteil dieses enormen Reservoirs: Gerade einmal rund 43.500 Gigatonnen Kohlenstoff sind in Ozeanen, den Sedimenten und Böden der Landflächen, der Biosphäre und der Atmosphäre enthalten. Der mit rund 37.000 Gigatonnen Kohlenstoff größte Anteil davon findet sich in den tiefen Ozeanen. Die terrestrische Biosphäre umfasst dagegen nur rund 2000 Gigatonnen Kohlenstoff, die Atmosphäre rund 590 Gigatonnen.
„In den Jahrzehnten intensiver Forschung haben wir uns meist auf den oberflächennahen Kohlenstoffkreislauf konzentriert – die Ozeane, Atmosphäre und Biosphäre“, sagt Robert Hazen, Exekutivdirektor des Deep Carbon Observatory (DCO) Programms. Doch dies mache nur einen winzigen Teil des gesamten irdischen Kohlenstoffs aus.
Vulkane und Plattengrenzen als Bindeglied
Die Kohlenstoffverteilung ist jedoch nicht statisch, denn zwischen den Reservoiren findet ein ständiger Austausch statt. „Der Schlüssel dazu, den natürlichen Kreislauf des Kohlenstoffs zu verstehen, ist es daher, herauszufinden, wie viel Kohlenstoff es wo gibt und wie schnell und viel davon sich von den tiefen Reservoiren an die Oberfläche und zurück bewegt“, sagt DCO-Forscherin Marie Edmonds von der University of Cambridge.
Der DCO-Bilanz zufolge werden pro Jahr rund 300 bis 400 Millionen Tonnen Kohlenstoff durch geologische Prozesse aus dem Untergrund freigesetzt – durch Umwandlung von Gesteinen, durch Vulkanausbrüche oder diffuse Ausgasungen. Den Hauptanteil daran haben Vulkane und vulkanisch aktive Regionen wie die mittelozeanischen Rücken, das Yellowstone-Gebiet oder der Ostafrikanische Graben, wie die Forscher berichten. Ausgeglichen werden diese Ausgasungen durch den Rücktransport von Kohlenstoff ins Erdinnere entlang der Plattengrenzen.
Gleichgewicht mit Ausreißern
„Über Milliarden von Jahren hat die Erde ein Gleichgewicht gefunden zwischen dem mittels Subduktion ins Erdinnere gebrachten Kohlenstoff und dem Kohlstoff, der von Vulkanen freigesetzt wird – dies sind die Prozesse, die dabei helfen, Klima und Umwelt zu stabilisieren“, sagt Cin-Ty Lee von der Rice University. „Doch wie stabil ist diese Balance?“
Der Blick in die Erdgeschichte zeigt, dass es immer wieder Störungen dieses Gleichgewichts gab – unter anderem durch Ausbrüche großer Vulkanprovinzen wie dem Sibirischen Trapp vor 250 und dem Dekkan Trapp vor 65 Millionen Jahren. Auch katastrophale Asteroideneinschläge können das Kohlenstoffgleichgewicht stören, wie die Forscher berichten. So ließ der Einschlag des Chicxulub-Asteroiden vor 66 Millionen Jahren große Mengen kohlenstoffhaltigen Gesteins verdampfen. Die Folge solcher Störungen waren in den meisten Fällen katastrophale Massenaussterben.
Mensch setzt mehr Kohlenstoff frei als geologische Prozesse
„Keine Frage ist daher zentraler als das Gleichgewicht zwischen dem Kohlenstoff, der in die Tiefe gelangt und dem, der wieder freigesetzt wird“, sagt Lee. Doch in dieses Gleichgewicht hat inzwischen auch der Mensch eingegriffen: Er setzt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zusätzlichen Kohlenstoff als CO2 frei. Wie die Wissenschaftler berichten, wurde in den letzten 100 Jahren durch anthropogene Aktivitäten 40 bis 100 Mal mehr Kohlenstoff freigesetzt als durch natürliche Prozesse.
Quelle: Deep Carbon Observatory; Sonderausgabe des Journals Elements