Spektakulärer Fund: Auf Sulawesi haben Forscher eine mehr als 40.000 Jahre alte Höhlenmalerei entdeckt – die älteste Jagdszene der Welt. Das Felsbild zeigt acht Mensch-Tier-Mischwesen, die mit Speeren Jagd auf größere Wildtiere machen. Ungewöhnlich daran ist sowohl das hohe Alter, als auch die frühe Darstellung solcher Mischwesen, die die spirituellen Vorstellungen ihrer Erschaffer widerspiegeln. Zudem bestätigt der Fund, dass sich Felskunst in Asien mindestens ebenso früh entwickelte wie in Europa.
Ob Handabdrücke, Tierfiguren oder abstrakte Muster: In Europa haben unsere steinzeitlichen Vorfahren schon vor tausenden von Jahren Kunstwerke an Höhlenwänden hinterlassen. Die bislang älteste europäische Felskunst sind 40.000 Jahre alte Handabdrücke in der spanischen El-Castillo-Höhle. Doch inzwischen haben Archäologen auf Borneo und Sulawesi Handabrücke und Tierfiguren entdeckt, die sogar noch älter sein könnten. Das wirft die Frage auf, wo die Wurzeln dieser Kunst liegen.
Erstaunlich komplexe Jagdszene
Die neue Entdeckung vertieft nun das Rätsel. Denn die in der Höhle Leang Bulu‘ Sipong 4 im Süden Sulawesis entdeckte Felskunst ist zwischen 35.100 und 43.900 Jahre alt, wie die Urandatierung von kleinen Kalkaufwüchsen auf der Malerei ergaben. Sie könnte damit sogar noch älter sein als die älteste bekannte Felskunst in Europa, wie Maxime Aubert von der Griffith University in Australien und seine Kollegen berichten.
Umso erstaunlicher ist der Inhalt des Felsbilds: Es ist eine komplexe Jagdszene mit mehreren Akteuren. Die 4,50 Meter breite Malerei zeigt mit rotem Pigment gemalte Tiere – zwei Warzenschweine und vier Zwergbüffel -, die von acht kleineren, menschenähnlichen Figuren verfolgt werden. „Einige dieser Figuren scheinen lange dünne Objekte zu tragen, die wir als Speere und/oder Seile interpretieren“, erklären Aubert und seine Kollegen. Ihrer Ansicht nach handelt es sich damit klar um eine Jagdszene – die älteste bisher bekannte.
„Es ist offensichtlich, dass diese komplexe Szene mit ihren vielen interagierenden Akteuren einen reichen erzählerischen Inhalt transportiert“, konstatieren die Wissenschaftler.
Mischwesen aus Mensch und Tier
Ungewöhnlich sind jedoch die menschenähnlichen Figuren in diesem Felsbild: Ihre Körper sind die eines Menschen, ihr Kopf jedoch ist schnauzenartig ausgezogen, einige scheinen sogar eine Art Vogelschnabel zu tragen. Nach Ansicht der Forscher handelt es sich hierbei um mythische Mischwesen, sogenannte Therianthrope. „Therianthrope in prähistorischer Kunst werden oft in Bezug zu schamanischen Visionen und Glaubensvorstellungen gesehen, sie könnten beispielsweise helfende Tiergeister repräsentieren“, erklären Aubert und seine Kollegen.
Ob die Figuren in dieser Jagdszene Tiergeister darstellen oder einfach nur die spirituelle Verbundenheit der Jäger mit der Tierwelt ausdrücken sollten, bleibt jedoch offen. Klar ist aber, dass auch diese Therianthrope möglicherweise älter sind als vergleichbare Mischwesen in Europa, wie der aus Mammutelfenbein geschnitzte „Löwenmensch“ aus der Stadelhöhle in der Schwäbischen Alb.
Ausdruck spiritueller Vorstellungen
Nach Ansicht von Aubert und seinem Team gibt die neuentdeckte Felsmalerei damit einen ganz neuen Einblick in die Kunst und Spiritualität der frühen Menschen in Asien. Gleichzeitig wirft dies erneut die Frage auf, wann und wo unsere Vorfahren die Fähigkeit zu dieser künstlerischen Ausdrucksform entwickelten. Die Tatsache, dass es solche Felsmalereien schon vor gut 40.000 Jahren sowohl in Europa als auch in Südostasien gab, legt nahe, dass ihr Ursprung noch tiefer in der Vergangenheit liegt – möglicherweise sogar schon in Afrika.
„Die frühe Kunst auf Sulawesi könnte unbezahlbare Einblicke in die Entwicklung der menschlichen Spiritualität und die Verbreitung der künstlerischen Praktiken geben, die das Denken auch des modernen Menschen geprägt haben“, sagt Co-Autor Adhi Agus Oktaviana vom ARKENAS-Forschungsinstitut in Jakarta. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1806-y)
Quelle: Griffith University