In Peru haben Forscher die bislang ältesten bekannten Fossilien von Nagetieren in Südamerika entdeckt. Die winzigen Zähne stammen von mäuse- bis rattengroßen Tieren, die vor mehr als 41 Millionen Jahren lebten. Bisher habe man angenommen, dass die ersten Nagetiere erst vor rund 32 Millionen Jahren Südamerika besiedelten, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.
Die nähere Analyse der Zähne zeige, dass die urzeitlichen Tiere zur Gruppe der heutigen Meerschweinchen und Chinchillas gehören. Am nächsten seien sie jedoch mit afrikanischen Nagetieren verwandt. Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies für einen Ursprung aller südamerikanischen Nagetiere in Afrika. Vergleiche des Erbguts lebender afrikanischer und südamerikanischer Nagetiere hätten dafür bereits früher erste Indizien geliefert. Jetzt habe man erstmals auch fossile Belege dafür.
„Unsere Ergebnisse stützen eine Ausbreitung dieser Säugetiere über den Atlantik hinweg“, konstatieren Pierre-Olivier Antoine von der Université Montpellier und seine Kollegen. Die Tiere könnten auf Flößen aus pflanzlichem Treibgut über den Ozean getrieben worden sein. Frühere Studien zeigten bereits, dass eine solche Reise von Afrika nach Nordost-Brasilien damals rund zwei Wochen gedauert hätte. Zu dieser Zeit war der Abstand zwischen beiden Kontinenten noch etwas geringer als heute.
Entdeckung im Fluss-Sediment
Die Forscher entdeckten die fossilen Zähne während dreier Expeditionen in das peruanische Amazonasgebiet. Das Wasser des Flusses Ucayali, einem Amazonas-Nebenfluss, enthüllte bei Tiefstand Sedimente, in denen sich die Fossilien befanden.
Die Datierung der Fossilien widerspreche der bisher gängigen Annahme, dass die Nagetiere Südamerika während einer dramatischen Klimaabkühlung vor rund 34 Millionen Jahren besiedelten, sagen die Forscher. Diese Kaltzeit gelte als prägend für viele Veränderungen der Tierwelt.
Verbreitung in einer wärmeren und feuchteren Periode
„Die Präsenz der Nagetiere in den gut 41 Millionen Jahre alten Sedimenten des peruanischen Amazonasgebiets zeigt aber, dass sowohl ihre Verbreitung als auch die ursprüngliche Besiedelung in einer viel wärmeren und feuchteren Periode stattfand“, sagen Antoine und seine Kollegen.
Fossile Pflanzenteile in der gleichen Sedimentschichte deuteten darauf hin, dass damals an dieser Stelle ein Regenwald stand. Die in ihm lebenden Nagetiere ernährten sich wahrscheinlich von weichen Samen und Pflanzenteilen. Das schließen die Forscher aus der Struktur der Zähne.
Besiedelung des neuen Kontinents von Nord nach Süd
Die neuen Funde widerlegen auch bisherige Hypothesen zur Richtung, in der sich die ersten Nager in Südamerika ausbreiten. Da die zuvor ältesten Nagetierfossilien in Patagonien gefunden wurden, vermuteten Forscher eine Besiedelung des Kontinents von Süden nach Norden. Der jetzige Fund zeige aber genau das Umgekehrte, sagen die Forscher: „Die frühesten Nagetiere breiteten sich südwärts aus, vom Amazonasgebiet nach Zentralchile bis nach Patagonien“, schreiben sie.
Weil die gefunden Fossilien einander sehr ähnlich sind, vermuten die Forscher, dass die allerersten „Kolonisten“ unter den Nagetieren nur wenig früher lebten. „Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich gering, dass wir das Datum für die ersten südamerikanischen Nager noch viel weiter als ein oder zwei Millionen Jahre in die Vergangenheit schieben werden“, meint Darin Croft von der Case Western University in Cleveland. (Proceedings of the Royal Society B, 2011; doi:10.1098/rspb.2011.1732)
(Proceedings of the Royal Society B / dapd, 12.10.2011 – NPO)