Uraltes Eis: Im Nordosten Sibiriens haben Wissenschaftler den bislang ältesten Permafrost entdeckt und datiert. Die eisigen Schichten sind seit mindestens 650.000 Jahren durchgehend gefroren und haben demnach mehrere Kalt- und Warmzeiten überdauert. Inzwischen jedoch haben menschengemachte Maßnahmen zu Rutschungen geführt, die den urzeitlichen Permafrost freilegten und ihn nun dem Auftauen aussetzen.
Beim Permafrost handelt es sich um Böden und Gesteine, die dauerhaft gefroren sind, teilweise bis mehrere hundert Meter tief. Sie kommen vor allem in Nordamerika und Sibirien aber auch in Hochgebirgen vor und konservieren wie eine gigantische Gefriertruhe riesige Mengen abgestorbener Biomasse, vor allem Pflanzenreste, aber auch Relikte urzeitlicher Tiere – vom Mammutfossil über Vögel und Wölfe bis zum noch lebensfähigen Rädertierchen.
Wie sensibel ist der Permafrost?
Das Problem: Durch den Klimawandel beginnt der Permafrost allmählich aufzutauen und setzt dabei große Mengen an Treibhausgasen wie Methan und Kohlendioxid frei. Das wiederum heizt das Klima weiter an. Wie sensibel der Dauerfrostboden auf die Erwärmung reagiert, ist daher auch für die Prognose des künftigen Klimas entscheidend. Wichtig ist dies aber auch, weil der tauende Permafrost in den Gebirgen zu vermehrten Felsstürzen führt. In der Arktis sackt dagegen der Untergrund weg und verursacht Schäden an Infrastruktur wie Schienen, Gebäuden oder Straßen.
Eine Chance, mehr über die Anfälligkeit des Permafrosts herauszufinden, ist die Untersuchung sehr alter gefrorener Bodenschichten. Wenn sie vergangene Warmzeiten unbeschadet überdauert haben, dann könnte dies auch für die Zukunft ein positives Signal sein. Eine Chance für solche Analysen bietet der Batagai-Abbruch im Nordosten Sibiriens. Dort kam es durch Entwaldung und Minenarbeiten zu einer Bodenrutschung, bei der Permafrostschichten aus 50 Meter Tiefe zutage gebracht wurden.
650.000 Jahre lang gefroren
Diesen Permafrost-Abbruch haben nun Julian Murton von der University of Sussex und seine Kollegen vom oberen Ende der Abbruchkante bis zu ihrem Fuß mit verschiedenen Methoden untersucht, um das Alter des Permafrostes in den verschiedenen Tiefen genau zu bestimmen. Organische Bestandteile wurden mit der Radiokarbonmethode datiert, das Alter reiner Eisschichten dagegen durch eine Bestimmung der Chlor-Isotope. Die Lumineszenz-Datierung verriet wiederum, wie lange Mineralkörnchen im Permafrost unter der Erde waren.
Das Ergebnis: Der ursprünglich in 50 Meter Tiefe liegende Permafrost ist schon seit rund 650.000 Jahren dauerhaft gefroren – ein Rekord. „Diese Eisschichten repräsentieren den ältesten datierten Permafrost Sibiriens und den zweitältesten der Nordhalbkugel“, berichtet das Forschungsteam. Die jüngeren, weiter oben liegenden Permafrostschichten sind immerhin auch schon seit mindestens 30.000 bis 60.000 Jahren gefroren, wie die Analysen ergaben.
Dauerfrost überstand selbst Warmzeiten
„Die Datierungsergebnisse von Batagai zeigen eindrucksvoll, wie stabil ein Permafrostboden sein kann und so Jahrhunderttausende überdauert“, sagt Mitautor Thomas Opel vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam. Dieser Boden hat seit seinem ersten Einfrieren schon mehrere Warm- und Kaltzeiten durchlebt. Unter ihnen war unter anderem die Zeit vor rund 130.000 Jahren, als die Temperaturen in der sommerlichen Arktis rund vier bis fünf Grad Celsius höher lagen als heute. Selbst unter diesen Bedingungen sind diese Permafrostböden offenbar nicht komplett aufgetaut.
Insofern machen diese Ergebnisse Hoffnung, dass auch der Klimawandel zumindest den tiefen Permafrostschichten in naher Zukunft nicht viel anhaben kann. Denn sie zeigen, dass sehr alter, tief begrabener Permafrost natürliche Wärmeperioden überdauern kann. Das Forschungsteam will nun Proben aus den verschiedenen Schichten näher analysieren, um mehr über die Umwelt- und Klimabedingungen zu ihrer Entstehungszeit zu erfahren.
Gegen menschliche Einwirkungen machtlos
Allerdings: Der Abbruch von Batagai demonstriert auch, wie empfindlich der Permafrostboden auf Störungen durch den Menschen reagiert. Denn das Abholzen der Wälder sowie das Befahren des Bodens mit schweren Kettenfahrzeugen hat die schützende Pflanzenschicht abgetragen und den Untergrund so der Erosion ausgesetzt. Dies führte dazu, dass der gesamte Hang abrutschte. Seither frisst sich die Rutschung immer weiter in den Permafrost hinein.
„Der Batagai-Megaslump ist der größte retrogressive Schmelz-Abbruch der Welt. Er war 2019 rund 1,8 Kilometer lang und mehr als 80 Meter breit“, berichten Murton und sein Team. Pro Jahr rückt die Abbruchkante um 30 Meter weiter, weil immer mehr Boden auftaut und abrutscht. Seit Jahren trägt das Schmelzwasser zudem aufgetautes Material weiter hangabwärts, so dass ein großer Krater entstanden ist. (Quaternary Research, 20231; doi: 10.1017/qua.2021.27)
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung