In tausenden winziger Tropfen Bernstein haben Wissenschaftler eine uralte Lebensgemeinschaft aus Bakterien, Pilzen, Algen, Wimpertierchen und Amöben entdeckt. Die Mikroorganismen sind 220 Millionen Jahre alt und damit die ältesten bekannten Bernsteininklusen der Welt. Die außergewöhnlich gut erhaltenen Mikroben erlauben erstmals einen direkten Vergleich so alter mit heute lebenden Arten, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Nature“ berichten.
Der Fundort des triassischen Bernsteins liegt nahe der Stadt Cortina d` Ampezzo in den Italienischen Dolomiten. Zwischen dem Dolomitgestein fanden Alexander R. Schmidt vom Museum für Naturkunde Berlin sowie seine Kollegen der Universität Padua die Bernsteintropfen in einem versteinerten Bodenhorizont eines ehemaligen küstennahen Waldes. Doch wie kamen die Lebewesen, die so alt sind wie die ersten Dinosaurier, in den Bernstein? Wie wurden sie erhalten und vor allem: Worin liegt die Bedeutung der Funde?
Tropischer Wald in feuchtem Klima
Wir müssen uns einen tropischen Koniferenwald in feuchtem Klima vorstellen, so die Forscher. Die Bäume produzierten winzige, millimetergroße Harztropfen. Die Mikroorganismen lebten auf feuchter Baumrinde und in kleinen Wasseransammlungen auf den Bäumen, die das Harz geliefert haben, und kamen wohl zufällig in Kontakt mit dem Harz. Die winzigen Harztropfen härteten aus, fielen zu Boden und wurden im Waldboden eingebettet und konserviert.
Die außergewöhnlich gute Erhaltung der Mikroeinschlüsse – selbst Strukturen in den Zellen sind überliefert – erlaubt erstmals einen direkten Vergleich so alter Mikroben mit heute lebenden Arten. Das Resultat: Sie können von heutigen Gattungen, manche sogar von heutigen Arten nicht unterschieden werden. Die ungewöhnliche Vielzahl der Einschlüsse erlaubt zudem die Rekonstruktion einer so alten, in sich geschlossenen Mikrolebensgemeinschaft. Alle wichtigen Vertreter sind überliefert: Bakterien, Grünalgen als Produzenten, Amöben und Wimpertierchen als Konsumenten sowie Pilze als Zersetzer.
Solche mit allen Details überlieferten Organismen aus urzeitlichen Wäldern sind sehr selten. Natürlich gibt es unzählige Einschlüsse von Insekten, Spinnen und auch Mikroorganismen in anderen Bernsteinen, diese sind aber mit ca. 20 bis 135 Millionen Jahren wesentlich jünger. Die Wissenschaftler können daher eine Menge aus diesem unverhofften Blick in die Vergangenheit ableiten. Das Überleben großer Zeiträume auf Art- oder Gattungsniveau war wohl deshalb möglich, weil die Mikrolebewesen weniger spezialisiert waren als höhere Lebensformen und sich ihre Lebensräume kaum verändert haben. So konnten sie die Ära der Dinosaurier, die Entfaltung der Blütenpflanzen, Vögel und Säugetiere unverändert überdauern.
(idw – Humboldt-Universität zu Berlin, 15.12.2006 – AHE)