Archäologie

Ältestes Grab Afrikas entdeckt

Überreste zeugen von der sorgsamen Bestattung eines Kleinkinds vor 78.000 Jahren

Grab
Diese Rekonstruktion zeigt die Überreste des Kleinkinds, das vor 78.000 Jahren in einer Höhle in Kenia bestattet wurde. © Jorge González/ Elena Santos

Spektakulärer Fund: In einer Höhle in Kenia haben Archäologen das älteste Grab Afrikas entdeckt – es ist rund 78.000 Jahre alt. In der Grube im Höhlenboden lagen die Überreste eines knapp dreijährigen Kindes, das nach seinem Tod sorgsam umwickelt und auf einem Polster liegend begraben wurde. Der Fund ist das älteste Zeugnis für eine Homo-sapiens-Bestattung in Afrika, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Vom Neandertaler sind allerdings ältere Gräber bekannt.

Die Bestattung von Toten und die damit verknüpften Rituale sind ein wichtiger Teil unserer menschlichen Kultur. Doch wann begann diese Tradition? Während die Neandertaler schon vor 120.000 Jahren Gräber anlegten, sind ähnliche Zeugnisse vom Homo sapiens rar. Ausgerechnet in Afrika, der „Wiege“ unserer Spezies, kennt man bislang nur ein Handvoll möglicher Bestattungen -und von diesen ist keines älter als 74.000 Jahre.

Pangy-ya-Saidi-Höhle
Eingang der Pangy-ya-Saidi-Höhle in Kenia. © Mohammad Javad Shoaee

Refugium unserer Vorfahren

Jetzt verschiebt ein Fund in Höhle Panga ya Saidi in Kenia diese Grenze weiter in die Vergangenheit. Denn dort hat ein Forschungsteam das bislang früheste eindeutige Beispiel für eine Bestattung in Afrika entdeckt. Das Team um María Martinon-Torres vom Nationalen Forschungszentrum für menschliche Evolution (CENIEH) im spanischen Burgos führen in dieser Höhle schon seit einigen Jahren Ausgrabungen durch.

„Als wir Panga ya Saidi zum ersten Mal besuchten, wussten wir sofort, dass diese Stätte etwas ganz Besonderes ist“, sagt Koautorin Autorin Nicole Boivin vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Funde von Steinwerkzeugen und andere Relikte zeugen davon, dass Menschen schon seit zehntausenden von Jahren dort Schutz suchen. Im Jahr 2013 stießen die Forschenden auch auf erste Fragmente menschlicher Knochen.

78.000 Jahre alte Kinderknochen

2017 folgte dann der aktuelle Fund: Etwa drei Meter unter dem heutigen Höhlenboden legte das Team eine kleine Grube frei, in denen eng zusammengedrängte, stark zersetzte Knochen lagen. „Zu diesem Zeitpunkt waren wir nicht sicher, was wir gefunden hatten. Und die Knochen waren einfach zu empfindlich, um sie vor Ort zu untersuchen“, erklärt Koautor Emmanuel Ndiema von den Nationalmuseen von Kenia. Deshalb gipste das Team den gesamten Fund ein und transportierten ihn zur näheren Analyse ins Labor.

„Wir begannen, Teile des Schädels und des Gesichts freizulegen, einschließlich des Unterkiefers mit einigen nicht durchgebrochenen Zähnen und der Verbindung zum Oberkiefer“, berichtet Martinon-Torres. Aus den anatomischen Merkmalen der Knochen schließen sie und ihr Team, dass es sich um die Überreste eines zweieinhalb- bis dreijährigen menschlichen Kindes handelt. Der Fund erhielt deshalb den Spitznamen „Mtoto“ – Suaheli für Kind. Die Wissenschaftler datieren die Überreste des Kindes auf ein Alter von 78.000 Jahren.

Sorgfältig umhüllt und bestattet

Nähere Untersuchungen der Fundschicht ergaben, dass das tote Kind in einer eigens dafür ausgehobenen Grube begraben worden war. Sein Körper lag dabei auf der rechten Seite mit gekrümmtem Rücken und zur Brust gezogenen Knien. Aus der Position der Arme und des Brustkorbs schließen die Archäologen, dass der Körper bei der Bestattung fest umhüllt war. „Noch bemerkenswerter ist die Position des Kopfes in der Grube, die darauf hindeutet, dass er auf einer Unterlage gelegen haben könnte, zum Beispiel auf einem Kissen“, berichtet Martinon-Torres.

Nach Ansicht des Forschungsteams deutet all dies darauf hin, dass dieses Kind vor 78.000 Jahren absichtsvoll und sogfältig zur letzten Ruhe gebettet wurde. „Der Fund von Panga ya Saidi repräsentiert damit die ältesten bekannten Beleg für ein Begräbnis in Afrika“, konstatiert das Forschungsteam. „Es demonstriert eindeutig, dass der Homo sapiens schon vor 78.000 Jahren einen komplexen Umgang mit seinen Toten entwickelt hatte.“

Das tote Kind: Die Panga-ya-Saidi-Höhle und der Fund des 78.000 Jahre alten Kindergrabes.© CENIEH

Bloß eine Fundlücke oder Wechsel der Bestattungsriten?

Das Grab von Mtoto erweitert damit unser Wissen über die Anfänge der menschlichen Bestattungskultur und verlagert seine Beginn weiter in die Vergangenheit. Die in Kenia entdeckte Bestattung bestätigt, dass Neandertaler und Homo sapiens diese kulturelle Praxis gemeinsam hatten. Ob sie diese unabhängig von einander entwickelten und welche möglicherweise gemeinsamen Wurzeln dahinterstecken könnten, ist jedoch offen.

Unklar ist auch, warum die bisher aus Eurasien bekannten Gräber von Neandertalern und unseren Vorfahren so viel älter sind als die des afrikanischen Homo sapiens. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es eher unwahrscheinlich, dass unsere afrikanischen Vorfahren noch nicht die kognitiven und sozialen Voraussetzungen dafür besaßen. „Zeugnisse von fortgeschrittener Planung und Symbolismus gibt es in Afrika schon seit rund 320.000 Jahren und vermehrt ab der Zeit vor 100.000 Jahren“, so Martinon-Torres und ihre Kollegen.

Für das Fehlen von älteren Gräbern in Afrika muss es daher eine andere Erklärung haben. Denkbar wäre, dass sie einfach noch nicht gefunden wurden, weil Ausgrabungen in Afrika vergleichsweise spärlich und lokal begrenzt. Möglich sei aber auch, dass es vor 150.000 bis 80.000 Jahren bei unseren frühen Vorfahren einen Wandel der Traditionen gegeben hat. Sie könnten ihre Toten zunächst entbeint oder verbrannt haben, bis sie dann zu einer Bestattung n Höhlen und Gräbern übergingen. (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03457-8)

Quelle: CENIEH, Max-Planck-Gesellschaft

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