Steinzeitliche Symbolkunst: In Südafrika haben Archäologen die älteste abstrakte Zeichnung der Menschheit entdeckt – einen 73.000 Jahre alten „Hashtag“ aus roten Linien auf einem Steinfragment. Diese Malerei ist mindestens 30.000 Jahre früher entstanden als alle bisher bekannten abstrakten oder figurativen Zeichnungen unserer Vorfahren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Sie demonstriert, dass der Homo sapiens schon damals symbolhafte Kunst schuf
Kunst, Schmuck und die Nutzung von Symbolen gelten als entscheidender Schritt in der geistigen Entwicklung des Menschen. Doch wann begannen unsere Vorfahren damit? Vom Neandertaler ist bekannt, dass er schon vor 64.000 Jahren Höhlenmalereien schuf und auch Schmuck und abstrakte a href=“https://www.scinexx.de/wissen-aktuell-17964-2014-09-02.html“>Ritzmuster sind von ihm erhalten. Sogar der Homo erectus könnte schon vor 500.000 Jahren abstrakte Muster in eine Muschelschale geritzt haben, wie ein Fund auf Java nahelegt.
Entdeckung in Südafrika
Wann jedoch der Homo sapiens erstmals zum Künstler wurde und abstrakte Symbole zeichnete, war bisher unklar. Begann er damit bereits in seiner Urheimat Afrika? Oder entwickelte er diese Fähigkeit erst nach seiner Auswanderung nach Europa? Die ältesten bekannten Höhlenmalereien und Felszeichnungen unserer Vorfahren stammen aus Europa und sind erst rund 40.000 Jahre alt.
Doch das hat sich nun geändert – durch einen Fund in der rund 300 Kilometer östlich von Kapstadt gelegenen Blombos-Höhle. Dort haben Christopher Henshilwood von der Universität Bergen und seine Kollegen im Jahr 2011 ein Steinfragment ausgegraben, das sich nun als sensationelle Rarität entpuppt. Denn Untersuchungen enthüllten, dass dieses rund vier Zentimeter lange Stück Silikatgestein mit einer Zeichnung verziert ist.
Neun Linien aus Ocker
Auf dem Steinstück entdeckten die Forscher neun mit Ocker gemalte Linien, die sich teils kreuzen und teils parallel verlaufen. Vier der Linien scheinen eine Art Raute zu bilden – ähnlich einem steinzeitlichen Hashtag. Nähere Analysen ergaben: Stein und Linienmuster sind rund 73.000 Jahre alt und von Menschenhand geschaffen. Der längliche Silikatbrocken wurde offenbar durch gezielte Abschläge in Form gebracht und mit Ockerpigment bemalt.
„Die Breite der Linien spricht dafür, dass sie mit einem Ockerstift mit 1,3 bis 3,3 Millimeter breiter Spitze gezeichnet wurden“, berichten die Wissenschaftler. „Das abrupte Enden aller Linien an den Kanten des Steinfragments zeigt zudem, dass sich dieses Muster ursprünglich über eine größere Oberfläche erstreckte – das Muster war wahrscheinlich noch komplexer und strukturierter als auf diesem Bruchstück erkennbar.“
Älteste Zeichnung vom Homo sapiens
Nach Ansicht von Henshilwood und seinen Kollegen handelt es sich bei diesem Steinzeit-„Hashtag“ um eine echte Zeichnung – und nicht bloß zufällig bei einer anderen Tätigkeit entstandene Linien. Ein Mensch muss dieses gekreuzte Linienmuster absichtlich und gezielt auf den Stein gemalt haben. „Das Zeichnen war demnach schon vor 73.000 Jahren Teil des Verhaltensrepertoires des frühen Homo sapiens in Südafrika“, sagen die Forscher.
Damit könnte diese Zeichnung die älteste bisher bekannte abstrakte Malerei der Menschheit sein. „Das Kreuzmuster auf diesem Stein ist mindestens 30.000 Jahre früher entstanden als die bisher bekannten abstrakten und figurativen Malereien des Homo sapiens“, so Henshilwood und seine Kollegen. „Unser Verständnis dafür, welche Prozesse das Verhalten und die Kognition des frühen Homo sapiens prägten, wird damit um eine weitere Dimension erweitert.“
Interessant auch: In der gleichen Fundschicht wurden Ockerstückchen entdeckt, in die ganz ähnliche Muster eingeritzt waren. „Der frühe Homo sapiens nutzte demnach schon verschiedene Techniken, um grafische Muster auf unterschiedlichen Medien zu erschaffen“, so Henshilwood. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0514-3)
(University of the Witwatersrand, CNRS, 13.09.2018 – NPO)