Ein Schwein mit Geschichte: In einer Höhle auf der Insel Sulawesi haben Forscher die wahrscheinlichst älteste Tierdarstellung der Welt entdeckt. Es handelt sich um eine 45.500 Jahre alte Felsmalerei, die mehrere heimische Warzenschweine zeigt. Dieses prähistorische Kunstwerk könnte der früheste Beleg für die Präsenz des anatomisch modernen Homo sapiens in dieser Region sein, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Lange galten die Felsmalereien aus europäischen Höhlen wie der Altamira- oder El-Castillo-Höhle in Spanien als die ältesten Kunstwerke des Menschen. In den letzten Jahren jedoch haben Wissenschaftler auch in Südostasien Felsmalereien entdeckt, die rund 40.000 Jahre alt sind. Darunter sind farbige Handabdrücke, aber auch Tierbilder und ganze Jagdszenen. Sie belegen, dass sich die Felskunst parallel in Europa und Asien entwickelte – oder dass der Homo sapiens diese Kunst sogar schon aus Afrika mitbrachte.
Schweine an der Höhlenwand
Jetzt haben Forscher auf der indonesischen Insel Sulawesi ein Felsbild entdeckt, das die Anfänge der Höhlenmalerei noch weiter in die Vergangenheit verschiebt. Aufgespürt haben Adam Brumm von der Griffith University in Brisbane diese Felskunst in der Leang-Tedongnge-Höhle im Südwesten von Sulawesi. Die Neufunde liegen damit im gleichen Gebiet wie die schon bekannten Beispiele sehr alter Höhlenmalerei.
Das neuentdeckte Felsbild prangt auf der Wand gegenüber dem Höhleneingang und zeigt mehrere in rötlicher und dunkelpurpurner Farbe gemalte Schweine. Die größte dieser Figuren ist 136 Zentimeter lang und 54 Zentimeter hoch. Über dem Hinterteil sind zwei farbige Handabdrücke zu erkennen. Zwei oder drei andere Schweinedarstellungen sind nur noch in Teilen erhalten, weil der Fels abgeblättert ist.
Eine Szene aus dem Tierleben
Wie für die frühe indonesische Felskunst typisch, sind die Tiere von der Seite zu sehen. „Die Umrisse sind typischerweise mit unregelmäßigen Mustern aus gemalten Linien und Tupfen ausgefüllt und zeigen keine erkennbaren anatomischen Details“, erklären die Forscher. Aus der Gestalt, den schopfartigen Kopfborsten und den Warzen im Gesicht schließen sie aber, dass es sich um Darstellungen des Sulawesi-Pustelschweins (Sus celebensis) handelt. Diese Schweineart ist bis heute auf der Insel heimisch.
Interessant auch: Die Schweine sind in dem Felsbild so angeordnet, dass sie sich gegenüberzustehen scheinen. „Das Arrangement der Figuren spricht unserer Ansicht nach für eine erzählerische Komposition“, erklären Brumm und sein Team. „Wir vermuten, dass dieses Felsbild eine soziale Interaktion zwischen drei, möglicherweise auch vier dieser Wildschweine portraitiert.“
Das älteste Tierbild der Welt
Doch wie alt ist dieses Felsbild? Um das herauszufinden, entnahmen die Wissenschaftler winzige Proben von den Kalkkristallen, die sich auf der Farbe der Höhlenmalereien abgelagert hatten. Mithilfe der Uran-Isotopen-Analyse ermittelten sie das Alter der Ablagerungen und damit auch das Mindestalter der Malereien.
Das Ergebnis: Die Schweine-Darstellungen in der Leang-Tedongnge-Höhle sind mindestens 45.500 Jahre alt. „Dieses Felsbild ist damit das älteste bekannte und eindeutig datierte Kunstwerk auf Sulawesi“, so Brumm und seine Kollegen. Gleichzeitig sei diese Abbildung eines Sulawesi-Pustelschweins wahrscheinlich die älteste erhaltene Tierdarstellung weltweit.
Wer waren die Künstler?
Diese Felsmalerei wirft auch ein neues Licht auf die Geschichte des Homo sapiens in Südostasien. „Die Schweine-Darstellung aus Leang Tedongnge könnte einer der frühesten Belege für die Präsenz unserer Spezies in Wallacea sein“, schreiben die Wissenschaftler. Diese Übergangsregion markiert den Bereich, der selbst bei prähistorisch niedrigen Meeresspiegeln weder vom asiatischen noch vom australischen Festland aus über Landbrücken zu erreichen war.
Wann unsere Vorfahren diese Inselwelt besiedelten und dann weiter nach Australien zogen, ist daher nur in Teilen geklärt. Auf Sulawesi haben Archäologen zwar Steinwerkzeuge älterer Menschenformen aus der Zeit vor 191.000 bis 118.000 Jahren gefunden. Nachweise für die Präsenz des anatomisch modernen Menschen gibt es aus dieser Zeit aber nur von den nordwestlich gelegenen Sundainseln Borneo und Sumatra, die damals von Asien aus über Landbrücken erreichbar waren.
Frühester Beleg für die Präsenz des modernen Menschen
„Wir können zwar nicht eindeutig beweisen, dass die Felsbilder aus Leang Tedongnge das Werk von kognitiv ‚modernen‘ Vertretern unserer Art waren“, schreiben Brumm und sein Team. „Aber es wäre die wahrscheinlichste Erklärung, wenn man berücksichtigt, wie kunstfertig diese frühen repräsentativen Darstellungen sind.“ Dafür spräche auch die Tatsache, dass figürliche Darstellungen bislang immer nur dem anatomisch modernen Homo sapiens zugeschrieben wurden.
„Sollte sich dies bestätigen, dann wäre das Schweinebild aus Leang Tedongnge eines der ältesten Zeugnisse, wenn nicht sogar das älteste überhaupt, für die Präsenz unserer Art in Wallacea“, konstatieren die Wissenschaftler. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abd4648)
Quelle: Science Advances