GeoUnion

„Akten laufen zu den Bürgern“

Geo-Government statt Bürokratie

Schichtenprinzip im GIS © USGS

In einem Interview gibt Dr. Peter Aschenberner Auskünfte über neuste Entwicklungen und Perspektiven in der Kartographie. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK) und gleichzeitig Inhaber eines Ingenieurbüros für digitale und analoge Kartographie.

g-o.de:

Noch vor einigen Jahrzehnten wurden Karten ausschließlich mit der Hand gezeichnet. Was hat sich seit diesen „künstlerischen“ Zeiten verändert?

Aschenberner:

Die Kartographischen Werke waren schon immer eine Mischung aus lagebezogenen Informationen und optimaler Präsentation. Die schönsten kartographischen Werke sind im 18. Jahrhundert entstanden – mangelndes geographisches Wissen wurde durch die Darstellung von Fabeltieren überdeckt. Die Ausbildung der Kartographen sah noch bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts das manuelle Zeichnen von Karten vor. Auch ich habe noch Karten im klassischen Sinne gezeichnet. Die Kartenproduktion hingegen wurde schon ab dem 16. Jahrhundert mittels Kupferstich vorgenommen. Später kam die Lithographie hinzu, die durch die Gravur und Montage von Schrift und Signaturen abgelöst wurde.

Mit Hilfe der digitalen Medien ist es heute durchaus möglich, die graphische, ja sogar künstlerische Gestaltung einer Karte zu optimieren. Die umfangreiche graphische Software, die auf dem Markt vorhanden ist, verleitet aber manchen Fachfremden zur Fertigung von kartographischen Darstellungen, die aus im Interesse einer sachgerechten, nutzerorientierten Kommunikation und Informationsvermittlung nicht akzeptabel sind. Hier möchten wir als DGfK gegensteuern und für die Kartenproduktion durch die dafür ausgebildeten Fachleute werben.

g-o.de:

Geo-Government – so lautet das Motto der ersten gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation sowie der Deutschen Gesellschaft für Kartographie vom 21. bis 23. September 2005 in Rostock. Was verstehen Sie darunter?
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Aschenberner:

Geo-Government ist eine Ableitung des E-Government, mit dessen Hilfe die Verwaltung vereinfacht und gestrafft werden soll. Das E-Government ist praktisch die Schnittstelle zwischen Staat und Bürger. Im digitalen Zeitalter werden andere Ansprüche an die Verwaltung gestellt als zuvor. Ein bekanntes Schlagwort ist: Die Akten laufen zu den Bürgern und nicht umgekehrt. Daneben hat das E-Government ein erhebliches Potential zur Vereinfachung. Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass fast 80% aller Informationen einen Lagebezug haben und man über die Koordinaten z.B. der Hausnummer alle Informationen eines Hauses von der Ver- und Entsorgung über Telefon und Strom bis zu den Bewohnern des Hauses alles unter dieser Koordinate speichern kann. Es gäbe dann nicht die voneinander völlig unabhängigen Einzelakten mit unterschiedlichen behördeneigenen Aktenvorgangsnummern, sondern alle Informationen wären unter einer gemeinsamen Koordinate gespeichert.

Mit dieser gemeinsamen Tagung wollen wir zum einen auf die immer größer werdenden Überdeckungsbereiche unserer Arbeit hinweisen, aber auch die positiv fachliche Verbundenheit der beiden Fachwissenschaften im Bereich des Geoinformationswesens zum Ausdruck bringen. Diese Zusammenarbeit gilt es zum Wohle des Nachwuchses zu nutzen und zu fördern. Gemeinsam sind wir stark, und diese Stärke brauchen wir in dem technologischen Wandel unserer heutigen Zeit. Eine Verschmelzung der DGPF und der DGfK ist hingegen nicht beabsichtigt, da liegen unsere jeweiligen Kernkompetenzen zu weit voneinander entfernt. Nicht ausgeschlossen ist hingegen, dass wir uns unter dem Dach des Geoinformationswesens zusammenfinden, um für die Erhaltung dieser Kernkompetenzen des jeweiligen Berufes zu streiten.

g-o.de:

Welche Rolle spielen bereits heute virtuelle 3D-Modelle in der Stadt- und Landschaftsplanung? Welche Verbesserungen sind noch zu erwarten?

Aschenberner:

Die 3D-Modelle sind bei etwas umfangreicheren Planungen unerlässlich. Alle größeren Bauvorhaben werden schon jetzt mit Hilfe von 3D-Modellen präsentiert. Man kann davon ausgehen, dass in Zukunft kein Bauantrag mehr ohne virtuelle Einbindung des geplanten Neubaus oder Umbaus denkbar ist. Schon der Architekt kann die unterschiedlichen Haustypen und Landschaftsgestaltungen in die virtuelle Welt einspielen und dem Bauherrn eine weit bessere Entscheidungsgrundlage liefern, als das zurzeit der Fall ist.
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g-o.de:

Warum sind Geographische Informationssysteme (GIS) und digitale Geländemodelle aus der modernen Kartographie nicht mehr wegzudenken?

Aschenberner:

Geographische Informationssysteme und digitale Geländemodelle bilden wesentliche Grundlagen für die moderne kartographische Anwendung. In einer Zeit, in der sogar der Fußgänger schon über Navigationssysteme geleitet wird, ist die GIS-Einbindung kartographischer Darstellungen unerlässlich. Denn auch die gedruckte Karte ist ja ein Teil des gesamten Informationssystems und muss sich nahtlos in die unterschiedlichen Darstellungen einfügen – natürlich immer unter Berücksichtigung der jeweiligen Abbildungsparameter. Die digitalen Geländemodelle werden neben plastischen Darstellungen der Erdoberfläche vor allem für thematische Anwendungen wie Massenberechnungen oder Ermittlung von Senderreichweiten genutzt.

g-o.de:

Wie sehen Sie die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten Ihrer Branche?

Aschenberner:

Die Kartographie hat im Übergang von der analogen zur digitalen Kartographie einen massiven Schrumpfungsprozess hinter sich gebracht. Er ist etwa vergleichbar mit vielen Berufen in der Druckindustrie, die zum Teil ausgestorben sind oder sich in den Inhalten beträchtlich gewandelt haben. Etwa zwei Drittel der Firmen, die kartographische Produkte herstellten, sind vom Markt verschwunden. Sie haben zu spät mit der digitalen Fertigung von Karten begonnen oder diese aus Kostengründen erst gar nicht angefangen. Die Basisdaten für die Erstellung von Karten liegen flächendeckend vor, so dass die jeweilige Thematik relativ kostengünstig in den vorhandenen Datenbestand eingearbeitet werden kann. Daher wird die Zukunft der Kartographie in der Fertigung thematischer Karten, der Straßen- und Freizeitkarten liegen. Auch wenn die Autos zunehmend mit Navigationsgeräten ausgerüstet werden, scheint der Autoatlas immer noch ein notwendiger Ausrüstungsgegenstand zu sein.

Wer als Autofahrer einmal einen Ausfall des Navigationsgerätes erlebt hat, wird mir hier sicher beipflichten. Auch sind die Informationen links und rechts der angezeigten Straße noch immer „so dünn“, dass der Autoatlas oder die Straßenkarte unerlässlich erscheinen. Ähnliche Argumente sprechen für die Freizeitkarte in gedruckter Form, so dass wir auch in 100 Jahren noch von Kartographen sprechen werden, die geobezogene Informationen exzellent grafisch umgesetzt dem Kartennutzer näher bringen werden.

(g-o.de, 22.07.2005 – AHE)

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