Eiszeit im Schnelldurchlauf: Forscher haben eine Simulation entwickelt, die die Vergletscherung der Alpen während der letzten 120.000 Jahre rekonstruiert – und Überraschendes enthüllt. Denn im Laufe der Eiszeit bewegten sich die Gletscher viel häufiger vor und zurück als bisher gedacht. Auch die Dicke der Eismassen war höher als nach gängiger Theorie angenommen: Allein im Rhonetal war das Eis bis zu 800 Meter dicker, wie die Forscher berichten.
Vor rund 115.000 Jahren begann die letzte Kaltzeit der Erdgeschichte. Über zehntausende von Jahren hinweg stießen Gletscher aus dem Norden und aus den Alpen wiederholt vor, zogen sich zurück und dehnten sich wieder aus. Dabei hobelten die gewaltigen Eisströme Täler wie das Rhonetal aus und schoben Unmengen an Gesteinsmaterial mit – von feinem Sediment bis zu mehreren tausend Tonnen schweren Felsblöcken. Die Spuren der Eiszeit sind bis heute in vielen Landschaften zu sehen.
Zurück in die alpine Eiszeit
Doch obwohl Naturforscher und Wissenschaftler schon seit fast 300 Jahren die Geschichte der alpinen Eiszeitgletscher erforschen, sind bis heute einige Fragen offen. So ist noch immer unklar welche Klimaentwicklungen zu den großräumigen Vergletscherungen führten, was die Ausdehnung der Gletscher kontrollierte, wie dick ihr Eispanzer gewesen ist, wie häufig sich die Eisschilde ausdehnten und wieder zurückzogen und was die Ursache dafür war, dass sich das Eis je nach Alpenregion unterschiedlich stark ausdehnte.
Um all dies besser zu verstehen, haben nun Julien Seguinot von der ETH Zürich und seine Kollegen die Eiszeit der Alpen in einem Modell rekonstruiert. Auf einem Supercomputer simulierten sie die Gletscherentwicklung der vergangenen 120.000 Jahre in den Alpen. Dafür nutzten sie ein spezielles Modell (PISM), das sie mit Daten zur Topografie, zu den Eigenschaften der Gesteine und Gletscher, dem Wärmefluss im Erdinnern sowie mit Daten zu den klimatischen Bedingungen fütterten.