Geowissen

Alpen: Fahrstuhlfahrten im Erdmantel

Bewegte Vergangenheit der Adula-Decke in den Schweizer Alpen aufgeklärt

Blick auf das zur Adula-Gruppe gehörende Rheinwaldhorn in Graubünden © gemeinfrei

Der Teil der Erdkruste, den wir heute als Alpen kennen, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Für die so genannte Adula-Decke in der Südschweiz haben Forscher diese nun zumindest teilweise rekonstruiert: Demnach ist das Gebiet in den letzten 350 Millionen Jahren zweimal bis auf Tiefen von über 50 Kilometer in den Erdmantel abgetaucht. Erst danach hat sich die Gesteinsformation auf ihre aktuelle Höhe von über 2.000 Metern aufgefaltet, so die Forscher jetzt in „Nature Geoscience“.

Dass Oberflächengestein in Richtung Erdzentrum abdriftet, ist nicht ungewöhnlich. Die Erdkruste fährt praktisch ständig Fahrstuhl: An den Nahtstellen der tektonischen Platten wird Krustenmaterial in die Tiefe gezogen – Experten sprechen von Subduktion. Bei der Fahrt unter Tage gelangt das Gestein unter extrem hohen Druck, bei dem charakteristische Minerale wachsen können. So bildet sich zum Beispiel das Mineral Granat, welches ein Hauptbestandteil des Hochdruckgesteins Eklogit ist.

Granat als Datierungshilfe

Wissenschaftler aus Bonn, Köln und Münster haben nun derartige Eklogite von der Adula-Decke in der Südschweiz analysiert, die flächenmäßig etwa doppelt so groß ist wie der Bodensee. Bei der Altersbestimmung machten sie eine interessante Beobachtung: „Teile der Eklogite sind maximal 38 Millionen Jahre alt, andere dagegen mindestens 330 Millionen Jahre“, erklärt Daniel Herwartz. Der Doktorand am Kölner Institut für Geologie und Mineralogie und am Bonner Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie hat die Studie geleitet.

Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf die Eklogit- Komponente Granat. Granat baut bei seiner Bildung große Mengen des radioaktiven Spurenelementes Lutetium ein. Dieses zerfällt mit einer Halbwertszeit von 37 Milliarden Jahren zu stabilem Hafnium. Aus dem Lutetium-

Hafnium-Verhältnis lässt sich also bestimmen, wann das Mineral entstanden ist. Granat bildet sich in diesen Gesteinen nur unter starkem Druck, wie er in mehr als 50 Kilometern Tiefe herrscht. Daher kann man an seinem Alter den Zeitpunkt der Subduktion festmachen.

200.000 Kristallkörnchen unter der Lupe sortiert

Herwartz und seine Kollegen haben für die Studie unter der Stereolupe Hunderttausende von Mineral-Kristallen sortiert, jedes so groß wie ein kleines Sandkorn. Eine Sisyphos-Arbeit, die sich aber gelohnt hat: „Uns ist es gelungen, im Eklogit der Adula-Decke zwei Granatgenerationen zu datieren“, sagt der Geologe. Eine Weltpremiere, die bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Denn die für die Analysen nötigen Massenspektrometer sind dazu erst heute empfindlich genug. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte den Wissenschaftlern aus Köln und Bonn erst im Jahr 2008 ein etwa 1 Million Euro teures Gerät zur Verfügung gestellt.

Aus ihren eigenen Ergebnissen und denen anderer Arbeitsgruppen schließen die Wissenschaftler, dass der größte Teil der rund 1.000 Quadratkilometer großen Adula Decke vor etwa 350 Millionen schon einmal abgetaucht ist. Dieser Vorgang hat sich dann mit der gesamten Einheit vor knapp 40 Millionen Jahren noch einmal wiederholt. Möglicherweise gab es davor sogar noch weitere Subduktions-Zyklen. „Das ist aber bislang reine Spekulation“, betont Herwartz und Münker. „Anhaltspunkte dafür liefern zumindest unsere aktuellen Daten nicht.“ (Nature Geoscience, 2011; doi:10.1038/NGEO1060)

(Universität zu Köln, 25.01.2011 – NPO)

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