Die höchsten Gipfel der Zentralalpen waren schon vor 15 Millionen Jahren mindestens so hoch wie heute. Das Gebirge beeinflusste schon damals das Klima und die Regenverteilung in Europa genauso stark wie heute. Das haben deutsche und schweizerische Forscher festgestellt, als sie die vergangene Gipfelhöhe der Berge mit einem speziellen geochemischen Verfahren bestimmten. die Forscher im Fachmagazin „Earth and Planetary Science Letters“ berichten.
Obwohl die Alpen zu den am besten erforschten Gebirgen der Welt gehören, ist ihre topographische Geschichte bisher nahezu unbekannt. Aufschluss verspricht eine neue Studie, die zeigt, dass die alpine Topographie, so wie sich heute präsentiert, ihre Wurzeln vor 15 Millionen Jahren hat. Die höchsten Gipfel der Schweiz waren damals zwischen 2.850 Meter und 3.350 Metern hoch. Damit war die Gebirgskette im Durchschnitt sogar noch höher als heute. „Das lässt darauf schließen, dass das Gros des alpinen Höhenprofils vor über 15 Millionen Jahren entstanden ist, als durch die Kollision von Europa und Afrika die Hebungsraten des Gebirges die gleichzeitige Abtragung durch Erosion übertrafen“, kommentiert Marion Campani, Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Leitautorin der Studie.
Alpen kontrollierten schon damals Niederschlag in Südeuropa
Hohe Bergketten bilden ein natürliches Hindernis für feuchte Luftmassen und beeinflussen so das Klima zu beiden Seiten dieser Barriere. Ihre Höhe ist dabei der entscheidende Faktor. Die neuen Erkenntnisse lassen daher Rückschlüsse auf die Niederschlagsmuster in Südeuropa und Eurasien und damit indirekt auch auf die Entwicklungsbedingungen ganzer Ökosysteme im Mittelmeerraum zu.
Im Fall der Alpen bedeutet dies: Seit 15 Millionen Jahren hat das aufragende Gebirge den Transport des vom Atlantik kommenden Niederschlags Richtung Zentraleuropa und Eurasien bestimmt und damit das Klima des östlichen Mittelmeerraums entscheidend geprägt. „Diese Region wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder von Trockenheit bedroht und ist ein Schwerpunkt der mit globaler Erwärmung assoziierten Wasserknappheit. Wer das Klima der Vergangenheit verstehen will, um Projektionen für die Zukunft der Region abzuleiten, für den führt an den Alpen kein Weg vorbei.“, so Andreas Mulch vom BiK-F und der Goethe-Universität Frankfurt.
Geochemische Regenspuren verraten die frühere Höhe
Wie hoch Berge im Laufe ihrer Entwicklung waren, lässt sich anhand von Sauerstoff-Isotopen rekonstruieren. Konserviert im 15 Millionen Jahre alten Gestein, speichern sie Informationen über den Niederschlag dieser Zeit. Das funktioniert, weil das Element in Form unterschiedlich schwerer Isotope vorkommt. Niederschlag, der am Gipfel der Gebirge fällt, hat einen niedrigeren Anteil an schweren Isotopen als solcher in Tieflagen. Also verrät das Verhältnis schwerer zu leichten Isotopen im uralten Regenwasser, in welcher Höhe der Niederschlag zu einer bestimmten Zeit gefallen ist.
Erstmalig gelang es nun, 15 Millionen Jahre alten Niederschlag aus dem Alpenvorland, das damals ungefähr auf Höhe des Meeresspiegels lag mit Niederschlag aus den ehemaligen Hochgebieten der Alpen miteinander zu vergleichen. Damit wurde es möglich, die damalige Höhendifferenz des Hochgebirges zum Alpenvorland zu bestimmen. „Außerdem sind Gebirge ab einer gewissen Höhe selbst in der Lage, das Klima und die kontinentalen Niederschlagsmuster zu beeinflussen. Deshalb muss man sich auch die Quelle der feuchten Luftmassen anschauen, um Veränderungen der Zusammensetzung und Menge des Niederschlags an dessen Ursprung in der Isotopen-Analyse mit berücksichtigen zu können.“, so Campani.
(Earth and Planetary Science Letters, 09.07.2012 – NPO)