Die Warnungen häufen sich: Wieder haben Klimaszenarien nachgewiesen, dass die Alpen am Ende dieses Jahrhunderts praktisch eisfrei sein könnten. Steigen die Sommertemperaturen zukünftig nur um drei Grad Celsius, verlieren die Gletscher in den Europäischen Alpen 80 Prozent ihrer Eisfläche. Bei einer Erwärmung um fünf Grad wären die Alpen nahezu eisfrei, wie eine jetzt in der Zeitschrift "Geophysical Research Letters" veröffentlichte Studie zeigt.
Die Gletscher der europäischen Alpen haben seit 1850 die Hälfte ihrer Fläche verloren. Wie sich die Klimaveränderungen auf die Alpine Vergletscherung in den nächsten hundert Jahren auswirken könnten, hat jetzt Michael Zemp vom Geografischen Institut der Universität Zürich untersucht. Aus seinen Modellierungsexperimenten resultiert, dass ein Anstieg der Sommertemperatur (April bis September) um drei Grad die Alpine Gletscherbedeckung der Referenzperiode (1971-1990) um ungefähr 80 Prozent reduzieren würde. Dies entspricht noch rund zehn Prozent der Gletscherausdehnung um das Jahr 1850. Im Falle eines Anstieges der Sommertemperatur um fünf Grad würden die Alpen praktisch eisfrei werden.
Ein Anstieg der Sommertemperatur von einem bis fünf Grad und einer Niederschlagsänderung von -20 bis +30 Prozent für das Ende des 21.
Jahrhunderts ist gemäss dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ein realistisches Szenario. Das IPCC wurde 1988 von der Welt- Meteorologie Organisation WMO und dem Umwelt-Programm der Vereinten Nationen UNEP gegründet. Für eine Kompensation des Anstieges der mittleren Sommertemperatur um nur einem Grad bräuchte es eine Zunahme des jährlichen Niederschlages von etwa +25 Prozent.
"Unsere Studie zeigt, dass unter solchen Szenarien die Mehrheit der Alpengletscher in den nächsten Jahrzehnten verschwinden könnte", sagt Michael Zemp von der Universität Zürich. Bei einem Anstieg der Sommertemperatur von mehr als drei Grad würden nur die grössten Gletscher wie zum Beispiel der Grosse Aletschgletscher und jene in den höchsten Regionen der Alpen bis ins 22. Jahrhundert bestehen bleiben. "Gerade in den dicht besiedelten Gebirgsregionen wie den Europäischen Alpen müsste man sich deshalb Gedanken machen zu den Folgen eines extremen Gletscherschwundes auf den hydrologischen Kreislauf, auf die Wasserwirtschaft, den Tourismus und Naturgefahren", so der Glaziologe Zemp.
(Universität Zürich, 11.07.2006 – NPO)