Dass die typischen Täler der Hochgebirge durch Gletscher geformt wurden, ist klar. Aber wie genau dieser Prozess ablief, das haben erst jetzt amerikanische Forscher am Beispiel der neuseeländischen Südalpen aufgeklärt. Wie sie in „Science“ berichten, erweiterte das Eis im Laufe der Jahrmillionen nicht einfach bereits vorhandene Täler, sondern gestaltete die Landschaft unter sich komplett neu.
Die einzigartigen U-förmigen Gletschertäler der Hochgebirge von Alaska bis Neuseeland sind für Geologen seit Jahrhunderten faszinierend und frustrierend zugleich. Denn so offensichtlich es auch ist, dass die Gletscher hier den Untergrund formten und abtrugen, so unklar ist es, wie genau sich diese Landschaften im Laufe der Zeit veränderten und wie sie aussahen, bevor die Gletscher entstanden. Das Eis hat alle Hinweise auf das frühere Aussehen mit sich fortgetragen.
Neugestaltung oder nur Erweiterung von Vorhandenem?
„Geologen haben sich gefragt: Wie sah die Landschaft vor 200.000 oder vor 400.000 Jahren aus? Oder vor der Vereisung im Pleistozän?“, erklärt der Glaziologe Kurt Cuffey von der Universität von Kalifornien in Berkeley. „Begannen die Täler als V-förmige Canyons, die vom Eis bedeckt wurden und der Gletscher erweiterte und vertiefte sie einfach? Oder wurde vielleicht das gesamte Relief durch die Vergletscherung geformt und es machte keinen Unterschied, wie die Landschaft vorher aussah?“
Diese Fragen haben jetzt Forscher der Universität von Kalifornien in Berkeley für ein Gebiet in den neuseeländischen Südalpen, dem so genannten Fiordland, erneut genauer untersucht. „Die erste Frage, die wir uns stellten, war: Wie viel der jetzigen Landschaft und des Reliefs sind das Ergebnis der glazialen Erosion?“, erklärt der Geochemiker David Shuster. Um dies herauszufinden, setzte der Wissenschaftler gemeinsam mit Kollegen vom Berkeley Geochronology Center (BGC) eine neue Technologie ein, die so genannte Helium-4/Helium-3- Thermochronometrie.
Helium-4 Isotop zeigt Abkühlungsrate und Tiefe des Gesteins
„Diese Technik erlaubt es uns, Proben von der gegenwärtigen Oberfläche zu sammeln und zu ermitteln, wie schnell sie sich von 80 bis auf rund 20 Grad Celsius im Laufe der letzten Millionen Jahre abkühlten“, erklärt Shuster. „Damit wissen wir dann auch, wie tief sie lagen, als sie abkühlten.“ Da die Temperatur im Untergrund mit steigender Tiefe zunimmt, kühlen tiefer liegende Gesteine langsamer ab als an der Oberfläche exponierte.
Das Helium-4 entsteht beim radioaktiven Zerfall der Elemente Uran und Thorium in Kristallen des Kalziumphosphat-Minerals Apatit und entweicht dann je nach Wärme des Gesteins schneller oder langsamer in die Umgebung. Durch Beschuss von Apatit-Kristallen mit Protonen provozierten die Wissenschaftler erst das Ausgasen von Helium und maßen dann den Anteil des Helium-4. Basierend auf der Helium-Diffusionsrate berechneten sie dann die Temperaturen und früheren Tiefenlagen der Gesteinsproben. Um ein Bild der bei der Vergletscherung ablaufenden Prozesse zu gewinnen, testeten die Forscher verschiedene Szenarien am Computermodell durch – nur eines davon passte zu allen Daten.
Erst Gletscherfront dann Karbildung
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die heute an der Oberfläche liegenden Gesteine im Fiordland rund zwei Kilometer tief im Untergrund befanden, als vor 2,5 Millionen Jahren die Bildung der Gletscher begann. Seither hob sich im Rahmen der Gebirgsbildung der Untergrund an, während die Eismassen weiter abwärts flossen und dabei die Landschaft erodierten. Als erstes entstanden dabei die U-förmigen Täler an den Flanken der Gebirgszüge, erst später folgten die Landschaftsveränderungen im oberen Gletscherbereich.
Überraschend für Geologen dabei: Der größte Teil der Talbildung geschah in den ersten Millionen Jahren durch die vorrückende Gletscherfront. Dies stoppte erst vor 1,5 Millionen Jahren und wurde dann für 500.000 Jahre von starker Abtragung durch den oberen Bereich der Gletscher abgelöst. Diese Erosion ließ charakteristisch steile, Amphitheater-ähnliche Formationen entstehen, Kare genannt. Da dieser Prozess vor allem auf die zwischen den Gletschern liegenden Bergrücken einwirkte, bildeten sich hier allmählich scharfe Grate, die Karlinge.
„Offenbar lagen die Gletscher einander direkt gegenüber, jeweils zu beiden Seiten eines hohen Gebirgsrückens“, erklärt Cuffey. „Durch die schnellere Erosion in den Kargebieten fraßen sich die Gletscher einwärts bis zum Grat des Gebirgsrückens, weiter von ihren Gletscherzungen entfernt.“ Das Gestein erodiert dort am stärksten, wo der Gletscher an einem steilen Hang liegt. Die Erosionsrate unter dem Eis hängt damit vor allem von der Geschwindigkeit der Bewegung des Eises ab, weniger von der Eismenge, die zu Tale wandert.
(University of California – Berkeley, 01.04.2011 – NPO)