Archäologen haben möglicherweise den Getreidehafen des antiken Roms entdeckt: Nordwestlich der Stadt Ostia entdeckten sie Hinweise auf ein 6,5 Meter tief ausgegrabenes Hafenbecken im Sediment der Tibermündung. Im 4. Jahrhundert vor Christus müsse daher hier der alte Hafen Roms gelegen haben, so die Forscher. Aus den Ablagerungen gehe zudem hervor, dass der Hafen im 2. Jahrhundert vor Christus durch eingeschwemmte Flusssedimente versandete und kurz darauf aufgegeben wurde.
Aus antiken Quellen geht hervor, dass Ancus Marcius, der vierte König von Rom, die Hafenstadt Ostia an der Tibermündung errichten ließ. Damit sollte die Stadt Rom einerseits einen Zugang zum Meer bekommen und über Schiffe Getreide und Salz geliefert bekommen. Andererseits sollte die Stadt die Flussmündung befestigen und so verhindern, dass Feinde den Tiber aufwärts fuhren und dann Rom vom Wasser aus angriffen. Ausgrabungen zeigten bisher, dass der alte Stadtkern von Ostia bis auf das 3. und 4. Jahrhundert vor Christus zurückgeht. Wo aber genau das Hafenbecken lag, sei bisher unklar gewesen, berichten Jean-Philippe Goiran von der französischen Forschungsorganisation CNRS und seine Kollegen. Archäologische Belege fehlten bisher.
Drei deutlich getrennte Phasen im Sediment-Bohrkern
Das französisch-italienische Forscherteam hat nun mit Hilfe von Sedimentbohrkernen das Areal an der Tibermündung genauer untersucht, in dem nach gängiger Annahmen der Hafen gelegenen haben soll. Sie extrahierten mit einem Spezialbohrer zwei Bohrkerne von jeweils zwölf Metern Länge. Wie die Forscher berichten, ergab die Auswertung der darin enthaltenen Sedimentschichten drei klar voneinander getrennte Phasen: Die tiefsten Schichten stammen aus der Zeit vor Gründung Ostias und zeigen typischen Meeresboden.
Die mittlere Schicht bestehe aus grauen, tonhaltigen Ablagerungen, die in ihrer Zusammensetzung typisch seien für ein Hafenbecken, berichten die Archäologen. Das antike Hafenbecken habe zu Beginn seiner Nutzung im 4. Jahrhundert vor Christus wahrscheinlich eine Tiefe von 6,5 Metern gehabt. Entgegen vorhergehenden Annahmen sei der Hafen von Ostia damit tief genug gewesen, um auch ozeangängige Frachtschiffe aufzunehmen und nicht nur die flacheren Flussschiffe.
Nach Verlandung aufgegeben
Die oberste Schicht schließlich stammt aus der Periode nachdem die Römer den Hafen von Ostia aufgegeben hatten, wie die Forscher berichten. Aus den Ablagerungen gehe hervor, dass zwischen dem 2. und 1. Jahrhundert vor Christus der Tiber mehrfach Hochwasser führte. Das Hafenbecken wurde durch die dabei mitgeschwemmten Flusssande und Schlick massiv zugesetzt. Zu dieser Zeit habe seine Tiefe nur noch weniger als einen Meter betragen.
Da der Hafen damit nicht mehr schiffbar war, gaben die Römer ihn auf und begannen im Jahr 42 vor Christus, während der Herrschaft von König Nero, drei Kilometer nördlich der Tibermündung einen neuen Hafen zu bauen, Portus genannt. Dieser 64 vor Christus fertig gestellte Hafen umfasste einen 200 Hektar großen Komplex und galt damals als der größte jemals im Mittelmeer gebaute. Aus den neuen Daten gehe allerdings auch hervor, dass Rom zwischen Verlandung des alten Hafens und Fertigstellung des neuen mindestens 25 Jahre ohne Hafen gewesen sein müsse. Wie die Millionen Stadt ihre Einwohner mit Getreide versorgte, sei eine noch offenen frage, die nun geklärt werden müsse, so die Archäologen.
(CNRS (Délégation Paris Michel-Ange), 11.12.2012 – NPO)