Kieler Meereswissenschaftler haben während einer Expedition in schwer zugängliche Hochregionen der chilenischen Anden Spuren einstiger Ozeanböden untersucht – mit großem Erfolg. Die Ergebnisse der Forschungsreise könnten auch für Klimaberechnungen von großer Bedeutung sein.
Ringsum schneebedeckte Gipfel, Hänge voller Geröll, Gebirgsflüsse ohne Brücken und mitten in dieser Landschaft eine kleine Gruppe Reiter: So hat es wohl schon ausgesehen, als Charles Darwin vor 175 Jahren die chilenischen Anden erkundete. Der große englische Naturforscher erkannte damals anhand fossiler Muscheln, dass das, was sich heute als mehrere tausend Meter hohe Berge in den Himmel reckt, vor Millionen von Jahren Meeresboden gewesen sein muss.
Mittlerweile ist die Geologie der Anden wesentlich feiner aufgeschlüsselt, doch das südamerikanische Hochgebirge ist nach wie vor ein spannendes, aber teilweise schwer zugängliches Forschungsgebiet für Wissenschaftler aller Fachrichtungen – auch für Meeresforscher. Und so spielte sich die beschriebene Szene nicht im März 1835, sondern im Frühjahr 2010 ab.
Vulkanologen suchen ehemaligen Meeresboden
Die Reiter waren Vulkanologen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) auf der Suche nach Spuren ehemaliger pazifischer Meeresböden in 3.000 Metern Höhe. Dabei entdeckten sie sogar kleine Vulkankegel, die bisher unbekannt und in keiner Karte verzeichnet waren. „Nicht einmal Gerardo, unser einheimischer Guide, wusste, dass an diesen Stellen vulkanisches Material austritt“, berichtet Heidi Wehrmann vom IFM-GEOMAR nach der Rückkehr.
Zusammen mit Professor Kaj Hoernle arbeitet Wehrmann beim Kieler Sonderforschungsbereich 574 „Fluide und Volatile an Subduktionszonen“. Eine dieser Subduktionszonen erstreckt sich direkt vor der Küste von Chile. Dort treffen zwei Erdplatten aufeinander: Die pazifische Nazca-Platte und die Südamerikanische Platte. Weil die Nazca-Platte schwerer ist, wird sie unter die südamerikanische gepresst und versinkt langsam im Erdmantel – sie wird subduziert.
Erdbeben und Vulkanismus
Dabei kann es zu Erdbeben wie den verheerenden Erdstößen vom 27. Februar 2010 kommen. Ein anderer Effekt ist Vulkanismus: Durch die in den Erdmantel abtauchende Nazca-Platte entstehen Schmelzen, die wieder zur Erdoberfläche aufsteigen. Eine Kette von Vulkanen zieht sich daher durch die Anden.
Was sich dabei aus dem ehemaligen Meeresboden löst und welche klimarelevanten Gase in welchen Mengen bei den Eruptionen freigesetzt werden, das interessiert die Kieler Wissenschaftler. „Bisher gibt es dazu kaum Daten – was vielleicht auch an der Unzugänglichkeit der Region liegt“, sagt Hoernle. Straßen sind in vielen Andenregionen Mangelware, Hubschrauber stehen nicht immer zur Verfügung. „Deshalb haben wir bei unserer Frühjahrsexpedition auf Pferde und Mulis zurückgegriffen. Das sind dort bewährte Verkehrsmittel“.
Forscher nehmen wertvolles Probenmaterial
Die Ritte in die Hochregionen haben sich gelohnt: An den Vulkanen Callaqui, Copahue, Chillán und San Pedro in Mittelchile fanden die Kieler Forscher wertvolles Probenmaterial. „Es handelt sich dabei unter anderem um so genannte mafische Laven, die nach dem Schmelzen tief im Erdmantel weitgehend unverändert an die Oberfläche kamen. Sie erlauben uns spannende Einblicke in die Vorgänge in rund 120 Kilometern Tiefe“, erklärt Wehrmann.
Zusammen mit den Proben von früheren Anden-Expeditionen ergibt sich eine Datenlage, die erstmals eine umfangreiche Untersuchung der magmatischen Gasgehalte in der Südchilenischen Vulkankette erlaubt. „An solchen Vulkanen treten Chlor, Brom und Schwefel aus, die das Klima stark beeinflussen können. Solange wir jedoch nicht wissen in welchen Mengen sie austreten und durch welche Prozesse dies gesteuert ist, können sie nicht bei Klimaberechnungen berücksichtigt werden“, erklärt Wehrmann den wissenschaftlichen Hintergrund. Im Herbst planen sie und Hoernle eine weitere Expedition in der Region, um bisher nicht erreichte Vulkane zu beproben.
(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR, 16.04.2010 – DLO)