Geburt eines Eisbergs: Vor wenigen Tagen, am 22. Januar 2023, ist ein riesiges Stück des Brunt-Schelfeises in der Antarktis abgebrochen. Ursache war ein enormer Riss, der sich schon seit fast zehn Jahren durch das Schelfeis fraß. Der jetzt entstandene Eisberg ist rund 150 Meter dick und 1.550 Quadratkilometer groß. Er ist damit sogar noch etwas größer als das vor fast genau einem Jahr vom selben Schelfeis abgebrochene Stück, wie der British Antarctic Survey meldet. Dieses Kalben sei jedoch ein natürlicher Prozess.
Die großen Buchten der Antarktis sind von ausgedehnten Schelfeisflächen bedeckt. Diese meist mehr als hundert Meter dicken Eisteppiche bremsen den Eisabfluss der in sie mündenden Küstengletscher. Gleichzeitig sind diese schwimmenden Eisflächen die größte Quelle antarktischer Eisberge: Immer wieder brechen riesige Eisflächen von ihren Rändern ab und driften als Tafeleisberge aufs Meer hinaus, so geschehen 2017 am Larsen-C-Schelfeis oder im Februar 2021 am Brunt-Schelfeis.
Dieses Kalben von Eisbergen am Schelfeisrand ist eigentlich ein natürlicher Prozess. Allerdings kann der Klimawandel die Rissbildung und den Eisabbruch in den schwimmenden Eisflächen fördern und beschleunigen – beispielsweise, wenn warmes Meerwasser die Schelfeise unterspült.
Riss „Chasm-1“ war die Ursache
Jetzt hat es erneut einen großen Eisabbruch in der Antarktis gegeben – und der Ort des Geschehens ist wieder das Brunt-Schelfeis. Diese Eisfläche im östlichen Wedellmeer war bisher dem warmen Tiefenwasser kaum ausgesetzt und scheint daher einem weitgehend natürlichen Kalbungsrhythmus zu folgen. Dennoch entwickelte dieses Schelfeis in den letzten Jahren gleich mehrere große Risse. Der im nördlichen Teil des Brunt-Schelfeises besonders schnell gewachsenen „North Rift“ verursachte Anfang 2021 den Abbruch des Eisbergs A74.
Ursache des aktuellen Eisberg-Abbruchs ist jedoch der schon länger bekannte Riss „Chasm 1“. Bereits im Jahr 2012 hatten Eisüberwachungs-Satelliten die Anfänge dieses vom westlichen Eisrand ausgehenden Bruchs detektiert – es war damals die erste Rissbildung nach mindestens 35 Jahren Pause. Seither ist der Chasm-1-Riss immer weiter Richtung Nordosten gewachsen. Schon im Jahr 2016 versetzte der British Antarctic Survey (BAS) die nahe an diesem Riss liegende britische Polarstation Halley um rund 23 Kilometer weiter nach Osten. Seit 2017 ist sie aus Sicherheitsgründen zudem nur noch im Sommer besetzt.
Westlicher Teil des Schelfeises abgebrochen
Der aktuelle Abbruch kündigte sich schon im Dezember 2022 an, als der Chasm-1-Riss das gegenüberliegende Ende des Schelfeises erreichte. Am 22. Januar 2023 war es dann soweit: Der Bruch trennte die gesamte vorstehende „Nase“ des westlichen Brunt-Schelfeises von der restlichen Eisfläche ab und ließ einen 1.550 Quadratkilometer großen Eisberg entstehen. Der noch unbenannte Eisberg ist damit sogar noch etwas größer als sein Vorgänger A74.
„Wir haben dieses Kalbungsereignis erwartet, es ist Teil des natürlichen Verhaltens des Brunt-Schelfeises“, erklärt der Glaziologe Dominic Hodgson vom British Antarctic Survey. Auch wenn es sich um einen erneuten großen Eisabbruch handele, sei dies nicht mit dem Klimawandel verknüpft. Die Forscher gehen davon aus, dass der neu entstandene Tafeleisberg ähnlich wie sein Vorgänger zunächst vom antarktischen Küstenstrom mitgetrieben wird. Über eine der vier großen „Eisberg-Autobahnen“ könnte er dann nach Norden abbiegen und in wärmere Gefilde gelangen.
Quelle: British Antarctic Survey