Der britische Polarforscher Robert Scott scheiterte beim Wettlauf zum Südpol, seine wissenschaftlichen Daten und Proben haben jedoch überlebt. Die historischen Meerwasserproben haben eine jetzt in „Curent Biology“ veröffentlichte Vergleichsstudie ermöglicht, die einen Wachstumsschub von Algen und Moostieren und damit auch der Bindung von CO2 ab 1990 enthüllt. Das Ozonloch und die damit stärkeren Winde könnten für diese Zunahme verantwortlich sein.
Der Brite Robert Falcon Scott ist heute am bekanntesten durch seinen Wettlauf zum Südpol mit dem Norweger Roald Amundsen und seinen tragischen Tod: Scott starb 1912 auf dem Rückweg vom Südpol, nachdem er feststellen musste, dass Amundsen vor ihm dort war. Doch was kaum jemand weiß: Scott führte vorher mehrere britische Antarktisexpeditionen an, bei denen wertvolle Proben von Organismen aus Eis und Meer geborgen wurden. Die unter anderem im Jahr 1901 gesammelten Proben wurden bis heute in Museen in Großbritannien, den USA und Neuseeland aufbewahrt.
Vergleich des Moostier-Wachstums 1901 – 2010
Diese alten Funde haben jetzt Forschern zu wertvollen Erkenntnissen über eine aktuelle Entwicklung verholfen: Wissenschaftler des British Antarctic Survey haben die Schalen eines winzigen Meerestieres, des Moostierchens Cellarinella nutti untersucht. Diese Bryozoenart lebt festsitzend auf Steinen, organischen Materialklumpen oder ähnlichem und fischt mit seinen zarten Moos-ähnlichen Fortsätzen kleine organische Partikel aus dem Wasser. Spannend für die Forschung ist dieses Tier, weil die Wachstumsringe seiner Schale ähnlich wie bei den Jahresringen der Bäumen Rückschlüsse auf Umweltbedingungen und Wachstumsrate erlauben.
Wachstumsschub seit 1990
Der Vergleich der „Jahresringe“ in den Moostier-Schalen von heute, aus den letzten Jahrzehnten und aus den Proben von 1901 ergab Überraschendes: Von 1901 bis 1990 stieg die Wachstumsrate der Bryozoen allmählich aber kontinuierlich an. In den 20 Jahren seitdem aber hat sich ihr Wachstum mehr als verdoppelt. Nach Ansicht der Forscher muss dieser plötzliche Wachstumsschub einen gleichzeitigen Anstieg der Nahrung in Form von Phytoplankton wiederspiegeln.
Diese Algen jedoch nutzen für ihren Stoffwechsel im Wasser gelöstes Kohlendioxid und bauen den darin enthaltenen Kohlenstoff in ihre Zellen ein. Diese wiederum werden von dem Moostierchen gefressen und sinken, wenn das Tier stirbt oder Schalenteile abbrechen auf den Meeresboden. Damit ist auch der von den Algen über das CO2 aufgenommene Kohlenstoff zunächst aus dem Verkehr gezogen. Algen und Moostierchen fungieren damit als Treibhausgas-Senke.
Ozonloch förderte Kohlenstoff-Senke
„Dies ist einer der wenigen Belege dafür, dass sich das Leben in der Antarktis kürzlich drastisch geändert hat“, erklärt David Barnes vom British Antarctic Survey. „Diese Tiere nehmen heute mehr Kohlendioxid aus dem Kreislauf und speichern es im Meeresgrund weg.“ Nach Ansicht von Barnes ist die Ursache für den seit 20 Jahren anhaltenden Wachstumsschub der Ozonverlust in der Antarktis. Die veränderten Bedingungen in der Polaratmosphäre führten zu stärkeren Winden und damit zu einer stärkeren Durchmischung der Meeresoberfläche. Der Wind schiebt damit nicht nur Eis beiseite, er sorgt auch dafür, dass sich reichlich CO2 im Wasser lösen kann.
„Wenn wir damit richtig liegen, dann ist dies eines der seltenen Beispiele, bei dem Tiere auf ein globales Phänomen – das Ozonloch – reagieren und dadurch ein anderes – den Treibhauseffekt – beeinflussen“, so Barnes. Die Ergebnisse zeigen in jedem Falle, wie wichtig es ist, die Auswirkungen großräumiger Prozesse wie das Ozonloch oder den Klimawandel zu verstehen. „Nicht nur, weil sie räumlich und zeitlich unterschiedlich sind, sondern auch, weil es Interaktionen zwischen den Effekten gibt, wie wir festgestellt haben.“
Noch ist nicht klar, wie groß die Wirkung der polaren Algen-Moostierchen-Kette als Kohlenstoffsenke ist, die Forscher halten sie eher für gering. „Ungeachtet dessen glauben wir, dass die Kombination von Schelfeis- und Meereis-Verlusten durch den Klimawandel und die Wirkung der erhöhten Windgeschwindigkeiten eine Hoffnung bieten, die Kohlenstoff-Sequestrierung im Südpolarmeer zu steigern“, so Barnes. „Es gibt nur wenige andere Orte in der Welt, wo globale und regionale Veränderungen tatsächlich dazu führen könnten, dass mehr Kohlenstoff aus dem System genommen wird.“
(Cell Press, 09.03.2011 – NPO)