Versteckt unter dem Eis? Knapp unter der Eisoberfläche der Antarktis könnte eine ganze Schicht von Eisenmeteoriten auf ihre Entdeckung warten. Denn wie Forscher jetzt herausgefunden haben, bleiben diese Eisenbrocken im Eis gefangen, statt nach oben befördert zu werden. Der Grund: Fällt Sonnenlicht ins Eis, erwärmen sie sich stärker als die Gesteinsbrocken und sinken daher ab, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
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Die Antarktis ist eine lohnende Fundstelle für Meteoriten, denn auf dem kahlen, vegetationsfreien Eis lassen sich selbst kleine Brocken gut ausmachen. Kein Wunder also, dass zwei Drittel der rund 35.000 bisher gefundenen Meteoriten dort entdeckt wurden. Eines aber ist seltsam: Obwohl die Trefferwahrscheinlichkeit überall auf der Welt gleich hoch ist, scheinen in der Antarktis weniger Eisenmetereoriten niederzugehen als anderswo.
„Daten zeigen, dass der Anteil der eisenhaltigen Meteoriten aus der Antarktis mit nur 0,7 Prozent aller Funde signifikant niedriger ist als im Rest der Welt, wo sie 5,5 Prozent ausmachen“, berichten Geoffrey Evatt von der University of Manchester und seine Kollegen. Im antarktischen La Paz Eisfeld sind sogar 0,3 Prozent der Funde aus Eisen, der Rest sind Steinmeteoriten. Doch dieser Mangel an Eisenmeteoriten kann keine kosmische Ursache haben – er muss geologisch bedingt sein.
Ist die Wärmeleitfähigkeit schuld?
Wo die fehlenden Meteoriten stecken könnten, haben Evatt und seine Kollegen nun untersucht. Ihre Vermutung: Das unterschiedliche Material der Meteoriten könnte ihr Verhalten im Eis beeinflussen. Weil Eisen Wärme besser leitet als Stein, könnten sich eisenhaltige Meteoriten stärker erwärmen, wenn Sonne durch das Eis fällt. Dadurch aber könnten sie tiefer ins Eis einschmelzen und daher verborgen bleiben.
Ob diese Hypothese stimmt, testeten die Forscher zunächst in einem Laborversuch. Dafür froren sie ein 15 Millimeter großes Stück eines Eisenmeteoriten und ein gleichgroßes von einem Steinmeteoriten in einem Eisblock ein und bestrahlten das Ganze mit einer Sonnenlichtlampe. Das Ergebnis: „Beide Meteoritentypen erwärmten sich genug, um ihre Umgebung anzuschmelzen und im Eisblock abzusinken“, berichten die Forscher. Der Eisenmeteorit sank aber mit 2,4 Millimeter pro Stunde deutlich schneller ab als der Steinmeteorit mit nur 1,5 Millimeter pro Stunde.
Gefangen im Eis
Aber reichen diese Unterschiede aus, um den seltsamen Mangel an Eisenmeteoriten an der Eisoberfläche in der Antarktis zu erklären? Damit dies der Fall ist, müssten gerade in den sogenannten Meteoritenfallen der Antarktis Abtragung und Eisströmungen gerade ausreichen, um die steinernen Chondriten trotz dieser Absinktendenz nach oben zu bringen, für die Eisenmeteoriten aber zu langsam wirken.
Als die Forscher dies mit Hilfe eines geophysikalischen Modells überprüften, passten die Simulations-Ergebnisse überraschend gut mit den Beobachtungen in der Antarktis zusammen: Eisenhaltige Meteoriten mit entsprechend höherer Wärmeleitfähigkeit blieben unter der Eis-Oberfläche gefangen, während Steinmeteoriten durch Erosion und Eisfluss im Laufe der Zeit an die Oberfläche gelangten.
„Eine ganze Schicht von Meteoriten“
„Das deutet darauf hin, dass es unter der Eisoberfläche eine Schicht von weitläufig verteilten Eisenmeteoriten gibt“, sagen Evatt und seine Kollegen. Allein im La Paz-Eisfeld schätzen sie die Dichte der unter dem Eis versteckten Eisenmeteoriten auf etwa einen pro Quadratkilometer. Aus der Simulation geht zudem hervor, dass diese „versteckten“ Brocken nicht sonderlich tief liegen, wahrscheinlich nur wenige Dutzend Zentimeter.
„Selbst wenn die Dichte der ‚fehlenden‘ Eisenmeteoriten gering ist, wären gezielte Meteoriten-Suchprogramme daher durchaus machbar“, sagen die Forscher. Der Vorteil liegt dabei ihrer Meinung nach auf der Hand: Gerade die seltenen Eisen- und eisenhaltigen Steinmeteoriten bergen wertvolle Informationen über unser Sonnensystem in sich.
„Jede neue Probe eines solchen Meteoriten hat das Potenzial, aus dem Kern eines einzigartigen Asteroiden zu stammen und kann uns daher Einblicke in die Zahl, Vielfalt und Entwicklung von Planetenbausteinen im frühen Sonnensystem liefern“, so Evatt und seine Kollegen. Zudem könnten neue Funde entscheidende Lücken in unserem Wissen über den Zusammenhang der verschiedenen Meteroritentypen schließen. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms10679)
(Nature, 17.02.2016 – NPO)