Gewaltiger Eisabbruch: Vom antarktischen Brunt-Schelfeis ist am 26. Februar ein Eisberg von der 1,2-fachen Größe der Insel Rügen abgebrochen. Ursache war ein enormer Riss, der sich mit einem Kilometer pro Tag durch das 150 Meter dicke Schelfeis fraß. Die Britische Halley Research Station war bereits 2017 auf eine sichere, weiter landeinwärts liegende Position geschleppt worden, sie steht heute gut elf Kilometer vom Abbruch entfernt.
In den großen Buchten der Antarktis ist das Meer von ausgedehnten Schelfeisen bedeckt. Diese meist mehr als hundert Meter dicken Eisteppiche bremsen den Eiszustrom aus den Küstengletschern, gleichzeitig kommt es an ihren Rändern immer wieder zu großen Eisabbrüchen. Im Jahr 2017 kalbte das Larsen-C-Schelfeis den größten jemals beobachteten Eisberg und verlor auf einen Schlag 5.800 Quadratkilometer Eisfläche.
Wachsende Risse im Eis
Während vor allem die Schelfeise in der Westantarktis in den letzten Jahren vermehrt zu Rissen und Eisabbrüchen neigten, gilt der Rest der Antarktis als noch relativ stabil. Dennoch ist es auch für die dortigen Schelfeise durchaus normal, ab und zu Eisberge zu kalben. Dass ein solches Ereignis auch beim Brunt-Schelfeis bevorstehen könnte, kündigte sich schon vor einigen Jahren an: 2012 begann im Westen mit Chasm 1 ein erster Riss im Eis zu wachsen, 2016 kam ein zweiter Riss im östlichen Teil hinzu.
Weil diese Risse der britischen Halley-Polarstation bedrohlich nahekamen, wurde diese bereits 2016 auf eine neue, weiter landeinwärts gelegene Position geschleppt. Zudem bleibt sie seither im antarktischen Winter unbesetzt, weil dann eine Evakuierung der Besatzung schwer bis unmöglich wäre. Auch in diesem Jahr hat die zwölfköpfige Besatzung die Station bereits vor etwa zwei Wochen verlassen.
Abbruch am 26. Februar
Doch der aktuelle Eisabbruch ereignete sich nicht an einem der schon länger bekannten und überwachten Eisrisse, sondern an einer neuen Spalte. Diese North Rift bildete sich im November 2020 nordwestlich der Station und wuchs von der Schelfeiskante aus mit rund einem Kilometer pro Tag Richtung Norden auf eine Einkerbung im Schelfeis zu. Es ist der dritte aktive Eisriss, der sich in den letzten zehn Jahren im Brunt-Schelfeis aufgetan hat, so der British Antarctic Survey.
Am Morgen des 26. Februar 2021 war es dann soweit: Der North-Rift-Bruch erreichte die nördliche Einkerbung und trennte damit eine Eisfläche vom Rest des Schelfeises ab. Innerhalb weniger Stunden wuchs die Spalte im 150 Meter dicken Eis auf mehrere hunderte Meter Breite an – ein Zeichen dafür, dass die abgetrennte Eisfläche nun als Eisberg vom Schelfeis wegdriftet.
Eisberg driftet langsam vom Schelfeis weg
Der neu entstandene Eisberg hat eine Fläche von 1.270 Quadratkilometern und ist damit etwa doppelt so groß wie der Bodensee und rund 1,2-mal so groß wie die Insel Rügen. „In den nächsten Wochen und Monaten könnte dieser Eisberg sich allmählich immer weiter wegbewegen, er könnte aber auch auf Grund laufen und dann in der Nähe des Brunt-Schelfeises bleiben“, erklärt Jane Francis, Leiterin des British Antarctic Survey (BAS).
Der Eisbruch liegt an seiner nächsten Stelle nur rund elf Kilometer von der britischen Forschungsstation entfernt. Für die britische Antarktisstation besteht aber vorerst keine Gefahr: „Vor vier Jahren haben wir die Forschungsstation landeinwärts gebracht um sicherzustellen, dass sie nicht wegdriftet, sollte sich ein Eisberg bilden“, erklärt Operationsleiter Simon Garrod vom BAS. „Das war eine weise Entscheidung.“
Genau überwacht
Jetzt müsse man die Situation im Auge behalten und mögliche Auswirkungen des aktuellen Kalbens auf das verbliebene Schelfeis beobachten. Wegen seiner Risse und dynamischen Entwicklung gehört das Brunt-Schelfeis aber ohnehin zu den am besten überwachten Eisflächen der Erde. Ein Netzwerk aus 16 GPS-Messstationen auf dem Eis misst jede Verformung und Verlagerung und sendet täglich aktuelle Daten. Zusätzlich beobachten mehrere Satelliten das Schelfeis, darunter der ESA-Satellit Sentinel 2, der US-Satellit Landsat 8 und der Radarsatellit TerraSAR-X.
Nach Angaben des British Antarctic Survey gibt es aber bislang keine Hinweise darauf, dass das aktuelle Kalben des Brunt-Schelfeises ungewöhnlich ist oder dass der Klimawandel dafür eine signifikante Rolle gespielt hat.
Quelle: British Antarctic Survey